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hat er für sich selbst gezeichnet und gemalt. Unfreiwillig. In den Ausstellungen werden sie mit
Ehrfurcht betrachtet, in den Blättern schwärmerisch beschrieben, aber von der Ausstellung wandern
sie trotzdem in sein über alle Massen bescheidenes Atelier zurück. Woran mag es liegen? Sicher
hat die Kunst Jeneweins nichts Einschmeichelndes, sie ist bar jeder Flachheit und gemeiner
Gefälligkeit. Ihr tiefer Ernst erschreckt förmlich die Banausen, ihre gewaltige Tragik und ihr
dröhnendes Pathos will sich der philiströsen Oberflächlichkeit nicht anpassen, ihre spartanische
Form und asketische Färbung will sich nicht einfügen in die Behaglichkeit unserer Salons.

Niemand wird die grosszügige Monumentalität seiner Schöpfungen bestreiten. Die Knappheit
der Form, die gesammelte Kraft des Ausdruckes, der bedeutende Raumsinn, die decorative Sprache
und Wirkung seiner festen Linien und grossen Flächen würden ihn für monumentale .Aufgaben
prädestiniren. Dazu kommt die Innigkeit und Geradheit seiner Empfindung, der tiefe Gefühlsinhalt
und die rein menschliche Ergriffenheit, woran seine Werke reich sind, und der poetische
Schwung, und doch wurde ihm bisher keine Wand angeboten, damit er sie mit seinen Composi-
tionen bedecke. Ist es die harte Eindringlichkeit seiner Darstellungsweise, welche dem Conven-
tionellen mit höchster Verachtung aus dem Wege geht, ist es der herbe und bittere Zug
seiner Kunst, die schwermüthige Empfindung seiner Bilder und Zeichnungen, welche da im
Wege steht?

Gerade diese Eigenschaften in einer Zeit, die im Weichlichen schwelgt und in mädchen-
hafter Empfindsamkeit aufzugehen immer bereit ist, machen die Kunst Jeneweins doppelt wert.
Ihr männlicher Ton, ihre ungeschminkte Aufrichtigkeit, ihre beinahe starrköpfige Geradheit, mit
welcher sie über das innere Leben berichtet, ebenso das schlichte Mitleid, welches der
Künstler mit den leidenden Menschen empfindet und worüber er offenherzig berichtet, diese ganze
markige Kunst einer festgebauten Persönlichkeit wirkt wie die freie Frische und der ruhige Ernst
des Gebirges auf den von der Nervosität der Grosstadtluft übersättigten armen Menschen.

Karl B. Mädl.
 
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