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RUDOLF VON ALT.

CH habe zu allen Zeiten gute und schlechte Bilder gemalt", pflegt
Rudolf Alt zu sagen, wenn man ihn nach der Zeit seines besten Schaffens
befragt. Und in der That fällt es schwer, in diesem neunzigjährigen Leben
ein siegreiches Aufsteigen und darauffolgendes entkräftetes Zurück-
weichen mit Jahreszahlen zu umschreiben, wie es sonst in der mensch-
lichen Natur nur zu sehr begründet wäre. Noch führt er, dessen Geburts-
fest am 28. August dieses Jahres nicht bloss sein Vaterland, sondern
die ganze weite Welt der Kunst mit Freuden feiert, den Pinsel als unent-
behrlichen Genossen, noch hat das Auge nicht versagt und die Lust

zur Arbeit und der Humor, der auch die unvermeidlichen Einschränkungen des Alters als trotziger
Held, nicht als siecher Sclave erträgt. Noch zieht er mit jedem Frühling hinaus in die ihm so wohl
vertrauten Berge, die er einst vor Generationen an der Seite seines Vaters sozusagen erst entdecken
half und die er uns in ungezählten Aquarellen so begeistert wie begeisternd zu schildern wusste.

Heute, da die Landschaftsmalerei alle Werkstätten und Ausstellungen beherrscht, erscheint
es uns gar merkwürdig, dass in Alts Jugendtagen ein Künstler, der ihr allein sich widmete, beinahe
als Umstürzler galt. Die Landschaftsmalerei ist eben eine noch recht junge Kunst. Wie lange
dauerte es, bis sie ihre Jünger überhaupt zu ernähren vermochte. Mussten doch selbst in England,
wo sie sich am frühesten als selbständiger Zweig entwickelte, Gainsborough und Turner, um leben
zu können, porträtiren.

Und seltsam war, schon im Zeitalter allgemeiner Naturbegeisterung, auch die Art des Natur-
studiums, aus dem zum Beispiel noch Gainsborough seine Kunst schöpfte. Er hatte sich, um nicht
aus dem Gedächtnis zeichnen zu müssen, in seiner Werkstatt aus zerschlagenen Steinen, getrockneten
Gräsern und Spiegelstücken eine Salonlandschaft mit Felsen, Bäumen und Wasserflächen zusammen-
gesetzt. Also ein Modell statt des Urbildes. Sehr allmählich also und spät entwickelte sich die
Anschauung unter freiem Himmel, mehr wissenschaftlich als künstlerisch; hat doch selbst der
grosse Turner in seinen Anfängen die Landschaftsmalerei rein topographisch behandelt. Er war es,
der doch aber auch zugleich die Aquarellmalerei gerade im Dienste der Landschaft zu grosser
und in ihrer Verbindung mit der Ölmalerei zu einer technisch sehr merkwürdigen Wirkung zu
erheben vermocht hat.

England ist ja auch die Heimat der Aquarellmalerei seit den Tagen Paul Sandbys, der als ihr
Vater gilt, seit sie sich in äusserst langsamen Übergängen aus getuschten Architekturstudien zu
selbständiger coloristischer Durchführung aufzuraffen versuchte. DieseEntwicklung, hinausgezogen
 
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