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muß man dein angeborenen Talent den größten Platz ein-
räumen. Die Raschheit der Beobachtung hat zur Folge die
Raschheit der Ausführung. Es ist ganz ausgeschlossen,
daß Iluard sich mit einer Zeichnung lange abmüht und
sie ein dutzendmal wieder vornimmt und umarbeitet, wohl
aber kann man es sich ganz gut vorstellen, daß er in
nervöser Hast darauf losarbeitet und mit dem allerein-
fachsten Werkzeug vorlieb nimmt, mit dem Bleistift, den er
besonders meisterhaft handhabt, der schwarzen Kreide,
dem Pinsel und der Feder. Selbst wenn er eine Zeichnung
mit Aquarellfarbe höht, so tut er dies mit einer gewissen
Aufregung. Das sind dann keine zarten, bescheidenen
Fleckchen, die hübsch aussehen wollen, sondern kräftige,
kühne Farbenklekse, die die Zeichnung stark unter-
streichen und ihre Komik erhöhen, aber doch ohne Über-
treibung und nur durch eine kaum merkliche Verstärkung
der richtigen Wirkung. Denn bei Huärd ist alles von ver-
läßlichster Genauigkeit und der Ausfluß der ehrlichsten,
aber auch unerbittlichen Beobachtung.

Iluard ist kein sklavischer Kopist des Modelles. Fr
arbeitet aus dem Gedächtnis. Sein Kopf ist ein Schrank,
dessen Laden und Fächer in schönster Ordnung die ver-
schiedenen Reihen und Arten des Ausdruckes, der Gesten
und der Stellungen enthalten. Er kennt zum Beispiel ganz
genau die Falte, die der Mantel eines trinkenden Kutschers
an der Schulter macht, die ganz bestimmte Art. wie eine
alte Frau ihre Hände aneinander preßt, die Furchen und
Rillen am Halse eines Wohlbeleibten; er weiß, wie sich ein
Hemdkragen zerdrückt, wie je nach der Beleuchtung die
Backenknochen hervortreten u. s. w. Und das alles ist so
sauber und unmittelbar gegeben, nicht lange gesucht,
sondern auf den ersten Wurf geglückt, die Einzelheiten
passen sofort zusammen, alles steht gleich fest da und hat
vom Anfang an Haltung. Das Modell dient dann nur mehr
zur Korrektur von Kleinigkeiten und zur allernötigsten
Kontrolle.

Soviel über die ausgestellten Blätter.

Es gibt aber auch noch andere und künstlerisch höher
stehende Zeichnungen Huards. In diesen wird der „Moliere
der Bauern'- zum Dichter der Natur und der Stadt. Immer
mit dem Skizzenbuche in der Hand schenkt er seine Auf-
merksamkeit und herzlichste Teilnahme der Landschaft, den
alten, phantastisch geformten Bäumen, den Windmühlen auf den Hügeln, den engen, verschlungenen
Gäßchen, den vielhundertjährigen Marktflecken, den gotischen Kirchen mit ihren Strebepfeilern und

Nach einer Zeichnung von Charles Iluard.

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