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Reisetagebuch, sondern namentlich auch die Ausführung selber. Wer die Leipziger Kohlenzeich-
nungen noch so genau kennt, den wird trotzdem die Galerie in Weimar wie ein neues Werk
anmuten. Hier erst leuchtet uns die Sonne Homers, und erst jetzt werden wir inne, wie sich das
blaue Meer als Horizontlinie durch die ganze Reihe der Landschaften hinzieht. Und dazu bildet
der Fries mit den dunkelroten Gestalten auf schwarzbraunem Grunde den wirksamsten Gegensatz.
In diesem Fries konnte Preller seiner alten Liebe zur Plastik folgen. Ein namhafter Bildhauer
rühmte mir, man könne ohne weiteres nach den Zeichnungen das Ganze modellieren.

Auf den Inhalt des Werkes einzugehen, fehlt hier der Raum. Wer sich überhaupt mit Kunst
beschäftigt, wird wenigstens die eine oder andere der verschiedenen Nachbildungen kennen, denen
sich jetzt dem Vernehmen nach eine Volksausgabe nach photographischer Aufnahme anreihen
wird (in Holzschnitt ist das Werk von Alphons Dürr nach Prellers eigens dafür gefertigten Zeich-
nungen veröffentlicht). Ebenso anziehend wie lehrreich ist die Vergleichung der drei Zyklen. Die
demnächst in der Knackfußschen Sammlung erscheinende Monographie gibt einige Beispiele dafür.

Am 27. Juni 1869 wurde das Museum mit der vollendeten Galerie feierlich eingeweiht. Unter
den vielen Ehrungen, die ihm aus diesem Anlaß zuteil wurden, erfreute den Meister besonders die
Ernennung zum Ehrenbürger von Weimar. Seine persönlichen Verhältnisse hatten inzwischen
wieder eine freundlichere Gestalt gewonnen. Im Jahr 1804 hatte er sich zum zweitenmal ver-
heiratet, mit einer jungen Witwe, Jenny Krieger, geb. Ventzky, aus Breslau, die mit seiner unver-
geßlichen Marie befreundet gewesen war und sich es nun pietätvoll angelegen sein ließ, sie ihm
zu ersetzen. Sie brachte aus ihrer ersten Ehe zwei Kinder mit, von denen namentlich das kleine
Mädchen, »der Putt«, des neuen Vaters Liebling wurde.

Seit 1867 bewohnte die Familie ein eigens erbautes Haus an der geliebten alten Belvedere-
Allee, in dem sich, wie einst im Jägerhaus, abends eine geistig belebte Geselligkeit entwickelte.
Noch zweimal besuchte Preller Italien: im Herbst 1869 mit seinem Sohne, den ein Auftrag des
Freiherrn von Eichel in Eisenach dahin rief, und dem Finanzrat Heerwart, 1875 aber mit Frau und
Tochter. Kurz zuvor hatte er, der ehrenvollen Aufforderung der Generaldirektion der Museen in
Florenz folgend, sein Selbstbildnis für die Sammlung der Bildnisse berühmter Künstler aller
Nationen eingesandt. »Man hat mich«, schrieb er von dort seinem zweiten Sohne, »zum berühmten
Maler machen wollen . . . Gott weiß, daß ich solchen Gedanken nie gehabt, ich habe gearbeitet,
weil ich die Kunst liebe, und bin meinem Berufe nachgekommen.«

Preller hat bis zu seinem Tode, der ihn zwei Tage vor seinem 74. Geburtstage abrief, noch
eine Reihe bedeutender Gemälde und eine große Zahl von Zeichnungen gefertigt, für die das
schwächer werdende Augenlicht länger ausreichte als für größere Flächen. Mit Vorliebe behandelte
er Gegenstände aus dem Alten Testament. Sein Hauptwerk bleiben doch die Odyssee-Bilder,
durch die er die unsterbliche Dichtung seinem Volke näher ans Herz gerückt hat. Sie werden nicht
so leicht verdrängt oder vergessen werden. Er selber pflegte zu äußern: Ich habe ihnen einen Weg
gezeigt, mögen nun andere darauf weiterschreiten!

Julius Gensei.

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