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eine Situation charakteristisch zu schildern, der tiefe Einblick aber in das Wesen der Erscheinungen,
wie ihn jeder bedeutende Künstler der Karikatur besitzen muß, fehlt ihm noch; die Karikatur ist
daher eine rein formale, keine wesentliche Äußerung seines Kunstwollens und darum vermag
er auch mit seinen Arbeiten nicht ganz zu überzeugen. Sein gelungenstes Blatt ist wohl der
»Schieber«, in demein gutes Teil frischer und lebendiger Beobachtung und gesunden Humors steckt.

Als humoristische Sittenschilderer seien hier schließlich noch Hans Aulhorn und Hermann
.Schütz genannt. Ersterer, ein Schüler Kalchreuths, zeigte in seinen beiden Blättern »Im Dienste
der Wissenschaft« und »Vor dem Glaskasten« ein liebenswürdiges, wenn auch noch etwas ober-
flächliches Talent, Straßentypen zu schildern, und vor allem einen harmlosen ansprechenden
Humor. Hermann Schütz erinnert in seiner Zeichnung »Schlechte Luft« besonders in bezug auf
tiefe, satte Farbengebung und goldiges Kolorit an gewisse Arbeiten Eugen Kirchners, dem ei'
auch in der Tendenz nahesteht, ohne daß er jedoch seine Gestalten wie dieser humoristisch zu
stilisieren vermag.

Als reizvollen Märchcnillustrator lernte man Wilhelm Wulff kennen, der in seinen
Illustrationen zu den Märchen der Gebrüder Grimm eine reich gestaltende Phantasie mit einer oft
insUnheimliche hinüberspielenden Größe derKomposition verbindet. Zu seinen geistreichsten Arbeiten
zählten seine Illustrationen der Märchen vom zerbrochenen Topf, vom Riesen und vom Trommler.

Eine Sonderstellung nahmen Wilhelm Gailhof!' und Ernst Barlach ein, die in ihren
symbolisierenden Sittenschilderungen der Karikatur oft nahekommen, sich aber andrerseits in der
kapriziösen, nervösen Linienführung zuweilen der Beardsley-Gruppe nähern. Gallhoffs Blätter sind
ungemein breit und flächig angelegt und erwecken auf den ersten Blick den Eindruck eines
ungemein sicheren Könnens — ein Eindruck, der sich bei genauerer Betrachtung der Blätter aller-
dings etwas abschwächt, da man die oft große Ängstlichkeit und Unsicherheit des Künstlers in
bezug auf Zeichnung und Linienführung erkennt. Das Stoffgebiet näher zu bezeichnen, das Gall-
hoff behandelt, ist ziemlich schwierig, vielleicht kennzeichnet man seine Kunst am besten, wenn
man ihn einen symbolistischen Sittenschilderer nennt.

Barlach verlor sich in seinem »Hariki« und seinen drei alten Weibern mit ihren wilden Körper-
verrenkungen ins unheimlich Groteske, während seine drei Bauern einen ruhigen, geschlossenen
Stil zeigten.

Eine reiche Auslese an Handzeichnungen, unter denen sich Arbeiten von hohem künstleri-
schen Werte befanden, wie die Bildnisstudien Alfred Sohn-Rethcls, erhöhte noch die Vielseitigkeit
der Künstlerbundausstellung, für diese Arbeit kamen sie nur insoweit in Betracht, als sie von
Graphikern herrührten oder in unmittelbarem Zusammenhang mit der Entwicklung unserer
modernen Graphik standen. Wenn es mir gelungen ist, hier einen allgemeinen Überblick über all
die vielfachen Aufgaben und Probleme zu geben, die die Graphik unserer Tage beschäftigen, so
haben diese Zeilen ihren Zweck erfüllt. Vieles mußte ungesagt bleiben, denn das Beste und Edelste,
was der Künstler zu bieten vermag, steht über dem Worte.

Fortunat v. Schubert-Soldern.

Der Firma Ernst Arnold in Dresden sind wir für die Liebenswürdigkeit, mit der sie uns die meisten der
im vorstehenden Aufsatz abgebildeten Originale für die Reproduktion zur Verfügung gestellt hat, zum größten
Danke verpflichtet. £>_ /v>.
 
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