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ZUM HUNDERTSTEN GEBURTSTAG STEINLES

(2. JULI i9i0).

Edward von Steinte gehört zu den nur allzu vielen Österreichern von Bedeutung, für die in ihrem
Vaterlande kein Platz gewesen ist. So bedauerlich diese Verkennung Steinles bei seinen Lebzeiten auch
jedem Österreicher erscheinen muß, so müßig wäre es, bei dem gegenwärtigen Anlaß fruchtlose Klagen
zu wiederholen. Immerhin bereitet den Herausgebern die Art, wie es ihnen vergönnt ist, hier, in einer
österreichischen Zeitschrift, Steinles Andenken zu feiern, ganz besondere Befriedigung: eine fein-
sinnige Dame der höchsten Gesellschaftskreise Österreichs hat uns gütigst ermöglicht, als auserlesene
Proben von Steinles edler Kunst die Nachbildungen von vier Zeichnungen unseren Lesern zu bieten,
und der unseres Wissens einzige Österreicher unter Steinles Schülern hat uns seine persönlichen
Erinnerungen an den verehrten Meister freundlichst zur Verfügung gestellt.

I.

Die Zeichnungen Steinles in der Sammlung der Fürstin Marie zu Hohenlohe-Schillingsfürst.

Die ebenso reichhaltige wie wenig bekannte Sammlung von Aquarellen und Handzeichnungen,
der unsere Abbildungen entnommen sind, wird gegenwärtig von ihrer Besitzerin, der Fürstin
Marie zu Hohenlohe-Schillingsfürst, auf dem Schloß Friedstein in Steiermark verwahrt. Die einzige
bisher darüber vorhandene Veröffentlichung ist ein dünnes Heftchen, der bei Gelegenheit der
Ausstellung dieser Sammlung im Wiener Künstlerhaus 1885 ausgegebene Katalog. Einen Einblick
in die Entstehungsgeschichte der Sammlung gewährt La Maras Buch »Aus der Glanzzeit der
Weimarer Altenburg« (Leipzig 1905), dessen wesentlichen Inhalt Briefe bilden, die während des
sechsten Jahrzehnts des vorigen Jahrhunderts von hervorragenden Zeitgenossen an die damals in
Weimar lebende Fürstin Carolyne Sayn-Wittgenstein, die Mutter der Fürstin Hohenlohe, geschrieben
worden sind. Danach scheint den Grundstock der Sammlung ein Album gebildet zu haben, das
Fürstin Wittgenstein, auch geistig eine der höchststehenden Frauen ihrer Zeit, für ihre Tochter
anlegte und wofür sie Zeichnungen und Aquarelle zumeist der ersten lebenden deutschen Maler
zu erwerben bemüht war: »Die deutsche Kunst der Neuzeit glänzt darin in ihrer ganzen Pracht«,
rühmt Hähnel in einem Brief aus dem Jahre 1850. Gar bald wird die Sammlung über den Rahmen
eines Albums hinausgegangen sein; so macht die Fürstin im Jahre 1855 Schwinds Kartone der
Werke der Barmherzigkeit ihrer Tochter zum Namenstagsgeschenk. Als dann später Prinzessin
Marie nach Wien übersiedelt war und hier im Hause ihres Gatten, des ersten Hofwürdenträgers,
den Mittelpunkt eines auserlesenen Kreises des Geburts- und Geistesadels bildete, mag sich ihr oft
noch willkommene Gelegenheit geboten haben, die von früher Jugend an gesammelten und ge-
liebten Kunstschätze zu bereichern.

Von den vier Blättern Steinles, die die Sammlung der Fürstin Hohenlohe aufweist und die
wir sämtlich in Nachbildungen vorführen dürfen, scheinen zwei, der heilige Franz von Paula und

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