ERNST JUCH.
r.
Bevor den persönlichen Erinnerungen an Ernst Juch Raum gegeben wird, entsprechend dem
schier unübersehbar früchtereichen Ausstrahlen seines gesellschaftlichen Wesens, sei angemerkt,
inwiefern seine künstlerische Entwicklung durch Zeit und Ort bedingt worden ist. Was ihn, den
scharfsichtigen Schilderer des Wiener Lebens, ursprünglich geschult hat, war ebensoweit von dieser
Tätigkeit entfernt wie seine leibliche Herkunft selbst. Nur die ersten zwanzig Jahre seines zum
Patriarchenalter gediehenen Daseins hat Juch im nächsten Bezirk seiner Thüringischen Heimat
zugebracht. Am 25. April 1838 in Gotha geboren, als Sohn eines Malers, wurde der früh Verwaiste
von seinem Pflegevater, einem Schneider, zum Modelleur für Porzellanfabriken bestimmt. Deshalb
kam er zum angesehensten Bildhauer der Stadt in die Lehre, zu Eduard Wolfgang, einem Schüler
Schwanthalers; nicht allzu streng dürfte dessen Klassizismus gewesen sein, ging doch aus dem-
selben Atelier späterhin auch ein Christian Behrens hervor, den der Tod einer modernen Großtat,
der Mitarbeiterschaft am Leipziger Völkerschlachtdenkmal, entrissen hat. Juch gelangte in den
Wanderjahren seiner Gesellenschaft schließlich nach Passau, beweglichen Jugendmutes wieder nur
zu kurzem Aufenthalte, dann zog es ihn weiter südwärts, nach Wien. Bayrische Donauschiffer
nahmen ihn mit auf ihrem Floß, ohne Entgelt, das er ebensowenig wie eine Hilfe bei der Bedienung
des Fahrzeuges hätte leisten können, aber die frommen Leute sahen in dem schmächtigen Kunst-
jünger einen »Herrgottschnitzer«. Hielt ihn einmal sein Beruf derart frei, mußte er ihm vorerst in
Wien durchhelfen, so ist Juch doch hier, wo er seit jenem März 1859 seßhaft blieb, bloß als Zeichner
79
r.
Bevor den persönlichen Erinnerungen an Ernst Juch Raum gegeben wird, entsprechend dem
schier unübersehbar früchtereichen Ausstrahlen seines gesellschaftlichen Wesens, sei angemerkt,
inwiefern seine künstlerische Entwicklung durch Zeit und Ort bedingt worden ist. Was ihn, den
scharfsichtigen Schilderer des Wiener Lebens, ursprünglich geschult hat, war ebensoweit von dieser
Tätigkeit entfernt wie seine leibliche Herkunft selbst. Nur die ersten zwanzig Jahre seines zum
Patriarchenalter gediehenen Daseins hat Juch im nächsten Bezirk seiner Thüringischen Heimat
zugebracht. Am 25. April 1838 in Gotha geboren, als Sohn eines Malers, wurde der früh Verwaiste
von seinem Pflegevater, einem Schneider, zum Modelleur für Porzellanfabriken bestimmt. Deshalb
kam er zum angesehensten Bildhauer der Stadt in die Lehre, zu Eduard Wolfgang, einem Schüler
Schwanthalers; nicht allzu streng dürfte dessen Klassizismus gewesen sein, ging doch aus dem-
selben Atelier späterhin auch ein Christian Behrens hervor, den der Tod einer modernen Großtat,
der Mitarbeiterschaft am Leipziger Völkerschlachtdenkmal, entrissen hat. Juch gelangte in den
Wanderjahren seiner Gesellenschaft schließlich nach Passau, beweglichen Jugendmutes wieder nur
zu kurzem Aufenthalte, dann zog es ihn weiter südwärts, nach Wien. Bayrische Donauschiffer
nahmen ihn mit auf ihrem Floß, ohne Entgelt, das er ebensowenig wie eine Hilfe bei der Bedienung
des Fahrzeuges hätte leisten können, aber die frommen Leute sahen in dem schmächtigen Kunst-
jünger einen »Herrgottschnitzer«. Hielt ihn einmal sein Beruf derart frei, mußte er ihm vorerst in
Wien durchhelfen, so ist Juch doch hier, wo er seit jenem März 1859 seßhaft blieb, bloß als Zeichner
79