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dürfte jedem Betrachter durch den Vergleich klar werden. Daß aber Rubens und sein Kreis gerade
zur Zeit, als das Wunder des heiligen Franz Xaver in seiner Werkstatt gemalt wurde, mehrfach
Anregungen aus Raffaels Werken schöpfte, kann man an manchen Beispielen weiterverfolgen.

Eine größere Anzahl von Rubens-Zeichnungen der Albertina hat künstlerisch und technisch
den gleichen Charakter wie die eben genannte Studie zum Franz-Xaver-Bilde. Leider ist es
zumeist nicht möglich, die drei Etappen der Bildkonzeption in der Skizze, der Zeichnung und dem
ausgeführten Gemälde in der folgenden Aufzählung zu veranschaulichen, da das Material nur
lückenhaft erhalten ist, eine wissenschaftliche Bearbeitung der Rubens-Skizzen überdies noch aus-
steht. Einige der hier in Betracht kommenden Albertina-Zeichnungen sind in ihrem Zusammenhang
mit bestimmten Gemälden bereits erkannt, einige nur annähernd eingereiht, manche gar nicht
gewürdigt. Es muß als charakteristisch hervorgehoben werden, daß, wo wir solche Zeichnungen
zu bestimmten Figuren — denn nur um solche handelt es sich — besitzen, die damit in
Zusammenhang stehenden Gemälde meist deutlich als Schüler- oder Werkstattarbeiten einer
bestimmten Epoche zu erkennen sind. Man ist darin einig, daß die Ausführung des kolossalen Franz-
Xaver-Bildes der Hauptsache nach durch Künstler in der Werkstatt des Rubens besorgt wurde.
Die genannte Zeichnung ist bis auf eine geringwertige Detailverschiedenheit — das Weglassen
des oberen Teiles vom rechten Ärmel — völlig identisch mit der Figur im Gemälde; Rubens hat nur
jene Teile von der Figur gezeichnet, die auch im Bilde im gleichen Ausmaß erscheinen sollten.
Diese Momente bestärken die Annahme, es handle sich um eine genaue Vorlage für die Aus-
führung eines Schülers im Bilde. Die Hypothese findet in der Betrachtung der im folgenden
zusammengestellten einheitlichen Gruppe weitere Stützen.

Sehr bekannt sind die drei Zeichnungsvorlagen des Rubens (Rooses Nr. 1429,1431 und Albertina-
Publikation, Tafel 860) für die Hirtenanbetungen in Rouen und Marseille: eine kniende Hirtin nach
rechts gewendet, eine kniende Hirtenfrau nach links gewendet und ein heiliger Josef. Auf allen drei
Blättern läßt sich die gleiche Beobachtung feststellen, die für die Blindenfigur des Franz-Xaver-
Bildes hervorgehoben wurde. Die Zeichnung mutet in jedem Fall wie eine genaue Vorschrift für die
Ausführung der Einzelfigur im Gemälde an; man gewinnt auch den bestimmten Eindruck, daß es
sich keineswegs um ein direktes Naturstudium handelt; eine Skizze werden wir wohl als Vorstufe
für die Einzelkonzeption annehmen müssen. Der Künstler gibt in den Zeichnungen nicht mehr, als
im Bilde erscheint. Man beachte, wie die Zeichnung des heiligen Josef genau dort abschneidet, wo die
Gestalt im Bilde durch die Gruppierung der andern Figuren verdeckt wird; das gleiche gilt für die
Zeichnungen der beiden Hirtenfrauen im Vergleich mit dem Gemälde. Die Hirtenanbetungen in Rouen
und Marseille können nur als Schülerarbeiten bewertet werden, sie datieren, wenn man die Grenze
möglichst weit steckt, zwischen 1615 und 1620. Fassen wir die kompositionelle Funktion der in den
Zeichnungen wiedergegebenen Figuren ins Auge, so müssen wir dieselben als besonders markant
und relativ kompliziert in der Stellungbezeichnen. Zur gleichen Folgerung gelangen wir bezüglich
der Albertina-Zeichnung einer knienden Frauenfigur (Rooses Nr. 1430), die in ihrer Verwendung im
Madrider Gemälde »Achill unter den Töchtern des Lykomedes« richtig erkannt wurde: es ist
zweifellos die in ihrer Stellung komplizierteste Figur der ganzen Gruppe in der Mitte des Vorder-
grundes, das heißt an besonders markanter Stelle der Komposition. Die Entstehung des Gemäldes
wird in die Zeit von 1616 bis 1618 angesetzt, die Ausführung dem in der Werkstatt des Rubens
arbeitenden van Dyck zugeschrieben. Diese traditionelle Attribution entspricht dem Wortlaut im
Bericht des Rubens an Carleton. Abgesehen von dem noch wenig individuell abweichenden Stil
des lernenden Künstlers mag auch der Umstand, daß gerade für eine der wichtigsten Figuren

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