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Gesellschaft für vervielfältigende Kunst so glücklich war zu erwerben. Die Leser dieser Zeilen
sind imstande, sich über das vorzügliche Original, da es beiliegt, selbst ein Urteil zu bilden. Ferner
gehören die mit kaiserlicher Subvention radierten »Bäuerlichen Typen«, der mit übereinander-
geschlagenen Armen am Tisch sitzende und vor sich hinstarrende Mann, der eingcschlafene Dorf-
trottel, die mit Gebetbuch und Rosenkranz dasitzende Bäuerin, der kleine Kopf des bebrillten Neu-
gierigen und schließlich wohl auch die 1907 in den Graphischen Künsten gebrachte Händestudie
hierher. Auch das Widmungsblatt des Hagenbundes an seine Gönner, das den Kopf eines kleinen
Mädchens zeigt, wird am besten hier anzuführen sein. Unter den früheren Arbeiten finden sich
ein paar ausgezeichnete Kompositionen. Vor allem die vorzüglich bewegte Szene des »Agitators«.
Dieses Blatt, das eine Folge »Narrentanz« hätte eröffnen sollen, zeigt den Künstler auf einer Bahn,
die er seither bedauerlicherweise verlassen hat. Einmal gehört es zu seinen geschlossensten
Kompositionen und dann verrät es eine ausgesprochene Veranlagung zu jener Charakteristik, die,
ohne Karikatur zu sein, doch an sie streift und mit grotesker Drastik am ehesten zu bezeichnen
wäre. Die großen Blätter »Industrie« und »Tod«, beide für die zweite Serie von Gerlachs »Allegorien
und Emblemen« radiert, sind ebenso wie der »Agitator« noch an der Akademie geschaffen. Jedes
der beiden Blätter zerfällt leider in Einzelszenen, die freilich sehr gut gearbeitet sind; das zweite
steht künstlerisch weitaus höher. Schon dem Anfang des XX. Jahrhunderts gehört das eindrucks-
volle Blatt »Wacht« an, das anläßlich des fünfundzwanzigjährigen Jubiläums des Aquarellistenklubs
der Wiener Künstlergenossenschaft an dessen Leitung und Förderer verteilt wurde. Mit einer größeren
Komposition aus jüngerer Zeit, den »Furien«, ist einstweilen der Künstler selbst noch nicht ganz
zufrieden. Auch eine Reihe vorzüglicher Tierstudien rührt von Cossmann her: das Hühnchen,
der Fuchskopf, der tote Maulwurf, die Schwalbe des Teufels (das ist eine Fledermaus). Die
niedliche Kleinigkeit der Libelle mit dem Frauenkörperchen darf füglich hier angeschlossen
werden. Graziös sind die beiden dekorativen Füllungen mit Pflanzenmotiven vom Jahre
1902. Landschaften hat Cossmann eigentlich nie radiert. Das Blatt, das den Bau des Tunnels
im Bacatal der Nachwelt überliefert, stellt weniger eine Landschaft als moderne Eisenbahn-
architektur dar. Es gehört zu jenen dankenswerten Bestellungen, mit denen die Bauunternehmer
der Karawankenbahn, die Herren Redlich und Berger, außer Cossmann auch August Roth und
Ludwig Michalek1 bedacht haben. Hat sich Cossmann sehr bald von der weicheren, malerischeren
Art seines Lehrers Unger freizumachen gewußt, so sind doch ein paar seiner frühesten Blätter
in ihr gearbeitet: die Ecke der Radierwerkstatt, der Satyr im Walde und König Ludwig II. von
Ungarn als Kind nach Bernhard Strigels Gemälde im Kunsthistorischen Hofmuseum, interessant
als eine reproduzierende Arbeit des Künstlers. Der Vollständigkeit halber sei schließlich noch eine
Platte genannt, die ein Potpourri, ausgeführt in allen möglichen Techniken des künstlerischen Tief-
druckes, zeigt.

Cossmann, obwohl ein Schüler Ungers, hat dessen aufs malerische gerichtete Radiertechnik,
man möchte sagen: früher aufgegeben, als er sie angenommen hatte. Zeichnerische Strenge war
vom Anbeginn an das Ziel, dem er nachstrebt. Die Schraffe und zwar beinahe ebenso oft die mit
dem Stichel wie die mit der Schneidenadel gezogene ist das darstellerische Mittel, dessen er sich
vornehmlich bedient. Damit weicht er von der unter den österreichischen Radierern üblichen Manier
(man denke nur an die Jettmars, Schmutzers, Kasimirs) vollständig ab. Im Reiche draußen gibt es
eher Radierer, die eine der seinen verwandte Technik anwenden, zum Beispiel den Dresdner

1 Das Blatt Professor Michaleks ist abgebildet in den Graphischen Künsten, 1907, XXX. Jahrgang, Seite 89.

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