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ROBERT SPENCE UND SEINE KUNST.

Für den modernen Künstler ist das XVII. Jahrhundert in England eine Zeit voll Geschehens
und malerischer Anregung. Unter den lebenden englischen Künstlern, deren Phantasie es angezogen
hat, ist Robert Spence hervorzuheben, der seit einiger Zeit als einer der erfolgreichsten Vertreter
der englischen Genreradierung gilt.

Er ist ein Quäker von Geburt, und daher ist es nur natürlich, daß er sich eifrig für eine Sekte
interessiert, die um die Mitte des XVII. Jahrhunderts in England entstand und, obwohl sie anfäng-
lich verfolgt und verlacht wurde, schließlich als eine arbeitsame, gottesfürchtige und hochachtbare
Klasse der englischen Gesellschaft erkannt wurde. Einer der frühesten Gründer des Quäkertums
war ein gewisser George Fox. Dieser merkwürdige Mann wurde im Jahre 1624 geboren. Sein Vater,
der ein Weber war, brachte ihn als Schafhirten bei einem Viehzüchter unter. Der vertraute Umgang
mit der Natur, den er so als junger Mensch hatte, prägte seinem Gemüt einen mystischen und
nachdenklichen Zug ein, der ihn sein ganzes Leben hindurch beeinflußte. Er beschäftigte sich viel
mit religiösen Ideen. Noch nicht dreiundzwanzig Jahre alt, wurde er als Prediger angestellt. Im
Jahre 1673 traf er zu Bristol einen andern hervorragenden Quäker, William Penn, den Gründer
des Staates und der Stadt Pennsylvania in Amerika, dessen Friedensvertrag mit den Indianern im
Jahre 1683 den Gegenstand einer von Spences größten und wirkungsvollsten Radierungen bildet.

Aber George Fox und seine Abenteuer sind es, so, wie er sich und sie in seinem Tagebuche
schildert, wofür sich Spence seit jeher besonders interessiert hat. Dieses Interesse ist um so lebhafter,
als sich das Originalmanuskript des Tagebuches als Familienerbstück im Besitze des Künstlers befindet.

Ununterbrochenes Studium dieser Blätter hat ihn bisher viele künstlerische Motive darin finden
lassen und voraussichtlich wird er auch noch in der Zukunft aus dieser Quelle schöpfen.

Spence hat sich jedoch auch noch an andern Gegenständen versucht, die ihn von Zeit zu Zeit
angezogen haben, nämlich an Szenen aus Richard Wagners Opern oder aus der alten Geschichte
Northumberlands oder aus dem Leben der Gegenwart. Nun aber wendet er sich immer öfter seiner
Lieblingsperiode, dem XVII. Jahrhundert in England oder gelegentlich derselben Zeit in Holland,
zu, aber die Taten und Erlebnisse seines Helden George Fox, das tätige Leben eines andern
englischen Tagebuchschreibers, Samuel Pepys (dessen Diarium seit seiner ersten Publikation im
Jahre 1825 gleichfalls unter die Werke der englischen Klassiker eingereiht wurde), und Cromwell,
der Lordprotektor von Großbritannien, zusammen mit Isaak Walton, dem »Fischerfürsten«, dem
Autor des »Vollendeten Anglers«, kommen sowohl auf den Radierungen als auch den Gemälden
des Künstlers am häufigsten vor.

Spence hat im Gegensatz zu den meisten Künstlern am Anfang seiner Laufbahn keine großen
Kämpfe zu bestehen gehabt, seine Freunde haben ihm, weil er sich einem so unsicheren Berufe
wie der Kunst zuwandte, keinen heftigen Widerstand entgegengesetzt, und Mittellosigkeit hat ihn
gleichfalls nicht in seinem Werdegang behindert. Derlei Bedingungen erweisen sich jungen Künstlern

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