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FREDERIC FLORIAN.

azarus, steh auf! — Von einem Menschen und Künstler, der dieses
Wunderwort sich selbst zugerufen hat, sollen die folgenden Zeilen
erzählen.

Der Holzschneider Florian wurde am 20. Februar 1858 zu Saint-
Aubain im Schweizer Kanton Neuenburg geboren.

Fast die ganze Bevölkerung dieses Landstriches lebt von der Uhr-
macherei. Auch Florian begann als Uhrmacherlehrling. Da lernte er die
zarten Kupfer- und Stahlstückchen, aus denen unsere Taschenuhren
zusammengesetzt sind, zurechtschneiden, feilen und glätten und erwarb
sich dadurch eine große Geschicklichkeit der Hand, die ihm später gute Dienste leisten sollte.

Aber der Junge war mit seinem Beruf unzufrieden, er fühlte sich zu Anderem, Höherem
berufen. Er liebte die Bilder. Was er davon zur Hand hatte, war ein altes Heft des Magasin
Pittoresque, dieser Wiege des neueren französischen Holzschnittes. Es kam ihm der Gedanke, die
Bilder nachzuahmen. Ein Stück Kirschbaumholz, das zufällig auf dem Werktisch lag, hobelte er
ab und glättete es, und aus dem so gewonnenen Holzstock schnitt er kühn Strich für Strich die
Zeichnung, ein männliches Bildnis aus diesem alten Hefte. So erfand er aus sich selbst wiederum
den Holzschnitt, ein neuer Beweis dafür, daß diese Technik viel älter sein muß, als es die
gewöhnlich herangezogenen Spielkarten usw. annehmen lassen.

So war er denn nun Holzschneider. Ohne Lehrer, ohne den geringsten Rat und Fingerzeig
bildete er sich weiter und bewunderte aus der Ferne seine Fachgenossen, deren Namen in ganz
kleinen Buchstaben am unteren Rande der Bilder er mühsam entzifferte: Froment, Pannemacker,
Lepere — Lepere vor allem.

Dann kam er — zwanzigjährig — nach Paris. Bei der Zeitschrift Le Monde Illustre fand er
1880 Unterkunft. Er glaubte noch viel lernen zu müssen, aber er konnte schon alles. Er hatte das
Glück, hier in Gesellschaft Leperes zu arbeiten. Seine Vorlagen waren Zeichnungen von Tages-
ereignissen. Bei dieser Art des Holzschnittes galt es, sich nie zu wiederholen. Die Vorwürfe
waren von der Hand verschiedener Künstler und verlangten daher auch eine stets wechselnde
Behandlung des Holzschnittes. Sechs oder sieben Jahre fruchtbarer Arbeit vergingen derart.
Selten setzte er allein seinen Namen unter die Holzschnitte, denn da die Zeitung am bestimmten
Tage erscheinen mußte, war die Arbeit auf mehrere Hände zu verteilen. Florians Mitarbeiter
waren Beltrand und Dete, und so standen denn unter den Bildern die vereinigten Buchstaben B. D. F.

Die erste Gelegenheit zu Arbeiten, bei denen er als selbständige künstlerische Persönlichkeit sich
zeigen konnte, bot ihm sein Eintritt bei der Revue Illustree im Jahre 1889. Hatten beim Monde
Illustre die Illustrationszeichner im Gefolge Vierges und Edmond Morins die Herrschaft gehabt, so
hier die Maler. Daher denn wieder mit Notwendigkeit eine Wandlung seiner Technik stattzufinden hatte.

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