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GEDRUCKTE KUNST.

Im Tagebuche seiner niederländischen Reise faßt Dürer seine Kupferstiche und Holzschnitte,
die er meist nur kurzweg seine »Kunst« nennt, auch einmal unter der Bezeichnung mein
gedrucktes Ding zusammen. Die klangvollen Worte gedruckte Kunst — Ding ist für Dürer
stets gleichbedeutend mit Kunst oder Kunstwerk — kennzeichnen so klar und treffend das Wesen
dieser Gattung von Kunstwerken, daß sie, nach dem Vorschlage eines feinen Kenners, wohl dem
Sprachgebrauche wieder zugeführt zu werden verdienten. Als zusammenfassende Bezeichnung
für Holzschnitt, Kupferstich, Lithographie u. dgl. ist das Wort »Bilddruck« geprägt worden; es
scheint sich aber nicht recht einbürgern zu wollen. Um die moderne mechanische, auf photo-
graphischem Wege hergestellte Reproduktion auszuschließen, könnte man Holzschnitt, Kupferstich
und so weiter wohl auch den »künstlerischen Bilddruck« nennen, im Gegensatz zum mechanischen
oder photographischen. Die französische Benennung »gravure« ist, ebenso wie »engraving« oder
»incisione«, umfassender und begreift alle Arten der Technik des Eingrabens von Linien und
Formen in eine Masse in sich. Gerade hierin liegt aber die kennzeichnende Kraft des Dürerschen
Ausdruckes, daß er die Besonderheit der Kunstgattung scharf hervorhebt. Denn das Charakteri-
stische der Künste, die man heute wenig schön und bequem die »graphischen« oder »verviel-
fältigenden« zu nennen pflegt, liegt eben darin, daß ihre Werke durch ein Abdruckverfahren
erzeugt werden. Erst durch das Abdrucken der geschnittenen oder gestochenen Platte mit Drucker-
schwärze auf das Papier tritt die künstlerische Arbeit in der beabsichtigten Form in Erscheinung.
Der Abdruck ist — ganz abgesehen von seiner technischen Wichtigkeit und von seinen beson-
deren Subtilitäten — das Wesentliche, insofern er den Charakter der graphischen Arbeit bestimmt.
Dürers Wort ist deshalb nicht nur als Bezeichnung, sondern auch für die Erkenntnis der Sache wertvoll.

In seiner interessanten und inhaltsreichen Studie über »ungedruckte Stiche« (Jahrbuch der
Kunstsammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses XXIX, Wien 1911, Seite 317) sagt Weixl-
gärtner: »Nehmen wir zum Beispiel an, Albrecht Dürer hätte mit dem Stichel in die Außenwand
der kalottenförmigen Cuppa eines silbernen Kelches Heiligenfiguren eingegraben. Meiner Meinung
nach wäre diese Gravierung in den Katalog der Kupferstiche aufzunehmen, weil der Künstler im
wesentlichen dieselbe Arbeit geleistet hätte, wie wenn er etwa im Jahre 1514 den heiligen Paulus
in eine Kupferplatte ,verstach'«. Meiner Meinung nach wäre das nicht richtig, so wenig richtig wie
die Anschauungen, die zu dieser Vorstellung geführt haben. Dürer selber würde jedenfalls eine
solche Arbeit nicht als »gedruckte Kunst« bezeichnet haben und würde auch, was noch wichtiger
ist, ohne Zweifel eine Gravierung für den Schmuck eines Metallgefäßes doch wesentlich anders
gearbeitet haben, als wenn er dieselbe Darstellung in eine für den Abdruck bestimmte Platte ein-
zustechen gehabt hätte. Dort hatte er die Wirkung der nur vertieften, bald matte Schatten
bildenden, bald hell glänzenden Linien auf der blanken Metallfläche zu berechnen, hier die der
tiefschwarzen gedruckten Linien auf dem weißen stumpftonigen Papier. Der große Unterschied

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