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die Arbeit für den Bilddruck zu einer Besonderheit machen. Es ist doch gerade die immer feinere
Differenzierung der wirksamen Kräfte, aus der wir unsere Erkenntnisse schöpfen. Eine ganz andere
Frage ist natürlich die nach den stilistischen Zusammenhängen der Werke der verschiedenen
Kunstgattungen.

Es liegt also durchaus keine Spitzfindigkeit in dieser Trennung technisch gleichartiger Arbeiten
nach der Absicht, die ihre Herstellung leitete, nach dem Zwecke, dem die Werke dienen sollten,
denn durch diese wird, wenigstens in Zeiten gesunder Entwicklung, die künstlerische Form
bestimmt. Ohne diese Erkenntnis wird jede Kunstbetrachtung in die Irre gehen. Für die Geschichte
des Bilddruckes — dieser primitive Grundsatz muß hier wieder betont werden — haben nur die
Gravierungen und Schnitzwerke eine Bedeutung, die mit der Absicht auf den Abdruck angefertigt
worden sind. Denn das künstlerische Ziel, die bewußte Vorstellung der endgültigen Wirkung-
bestimmt das WTesen des Kunstwerkes und der Gattung. Was ohne die Absicht des Abdruckens
an Gravierungen und dergleichen gearbeitet worden ist, hat für den Bilddruck nur ein sozusagen
prähistorisches Interesse. Ein Zufallsabdruck von einer irgendwie gravierten Platte ist damit noch
kein Werk des Bilddruckes im künstlerischen Sinne.

Man hätte freilich schon lange vor der Ausübung des Bilddruckes von Gravierungen und
dergleichen, die für Schmuckzwecke bestimmt waren, Abdrücke auf Papier nehmen können.
Besondere Erfindungen oder Entdeckungen waren dazu nicht nötig. Man wurde auf diesen nahe-
liegenden Gedanken aber erst geführt, als das künstlerische und praktische Bedürfnis die Verviel-
fältigung von Darstellungen zu fordern begann. Die technische Behandlung der Platten, aie ja nun
nur mehr als Matrizen für den Druck dienen sollten, erfuhr dann aber sogleich die entsprechende
notwendige Umbildung. Für das Verständnis »gedruckter Kunst« ist nicht die meist mehr oder
weniger zufällige Verwendung gravierter Platten zu anderen als Abdruckzwecken von Wichtigkeit,
um so mehr aber die praktische Bestimmung der gedruckten Bilder; denn von ihr ist die künst-
lerische Arbeit in erster Linie abhängig.

Die Neigung, den Schwerpunkt der Betrachtung vom graphischen Abdruck auf die Gravierung
überhaupt zu verschieben, der hier entgegengetreten werden sollte, hat ihren letzten Grund in der
seit längerem verbreiteten, aus praktischen Gesichtspunkten erwachsenen Überschätzung des
Kunstgewerblichen, der die Formen nur zum Zwecke des Schmuckes verwendenden Kunst gegen-
über der monumentalen, das heißt der wesentlich auf die naturgetreue und sinngemäße Darstellung
von Formen und Vorgängen gerichteten. Für den Bilddruckstich ist aber gerade diese Loslösung
seiner Technik von der kunstgewerblichen Schmuckgravierung, auf die hier hingewiesen werden
sollte, von entscheidender Bedeutung gewesen. Der Bilddruck trennt sich deshalb sehr bald in
seinem Stil vom Kunstgewerbe und kommt schnell in enge Beziehungen und in ein Abhängigkeits-
verhältnis zur monumentalen Kunst, die ihn besonders zur Reproduktion ihrer Werke ausbeutet,
in ihm aber auch eine freie und doch abschließende Ausdrucksform für ihren überschüssigen Reich-
tum an Gestaltungen sich schafft. Es ist kein Zufall, daß die »gedruckte Kunst« erst in einer Zeit
in Übung kommt, in der das Kunstwerk überhaupt, mit Hilfe der Antike, aus seiner dienenden
Stellung herauszutreten und seine Selbständigkeit und Unabhängigkeit zu erkämpfen beginnt.

Paul Kristeller.

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