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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 37.1914

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Trost, Alois: Das römische Porträtbuch Lulius Schnorrs von Carolsfeld in der Bibliothek der K.K. Akademie der Bildenden Künste zu Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.4205#0098
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Am 11. Juni 1818 dankt Schnorr von Rom aus seiner Schwester Ottilie für die Übersendung
des von ihr gezeichneten Bildnisses seines geliebten Vaters und fährt dann fort: »Mir tut es immer
sehr leid, in Leipzig es versäumt zu haben, den Vater abzuzeichnen (um so mehr da ich die Porträts
meiner Freunde in Wien besitze, so wie das deinige, welches mir Eduard [Schnorrs Bruder] zu
meiner großen Freude auf mein Bitten abgetreten hat). Nun soll dieses die Lücke füllen und so
lange unter den von mir gezeichneten Porträts hausen, bis ich, wieder heimgekommen, selbst den
Vater zeichnen kann. Bleibe ich meinem Vorsatz getreu, meine hiesigen Freunde zu zeichnen, so
dürfte meine Sammlung interessant werden. Ein wunderschönes Buch, welches mir die Baronin
Pereira [in Wien, ihr Sohn Louis war Schnorrs Schüler] verehrt hat, gibt ihr, nämlich meiner
Sammlung, eine würdige Hülle«. Daß es sich bei Schnorrs Bildniszeichnungen um eine planmäßig
angelegte Sammlung handelte, geht auch aus einem Briefe Quandts hervor, in dem er von Rom
aus am 22. Oktober 1819 nach Leipzig schreibt: »Julius . . . hat eine Sammlung von Porträten
derer Menschen angelegt, welche er besonders unter den nähern Kreis seiner Lieben zählt, er ist
gegenwärtig damit beschäftigt, meine Frau für sich zu zeichnen, hat mir aber versprochen, daß ich
eine Kopie von dieser Zeichnung erhalten soll«. Schließlich erfahren wir noch zu viel späterer Zeit
aus den Dresdner Tagebüchern Schnorrs, daß bei einer Gesellschaft im Hause des Künstlers am
24. Oktober 1856 von den Gästen, unter denen sich auch Claus Groth befand, die »Porträt-
sammlung zu sehen beliebt wurde«.

Das früheste Bildnis der Sammlung, das des 1822 jung verstorbenen Wiener Nazareners
Johann Scheffer von Leonhardshof, stammt noch aus Schnorrs Wiener Zeit (1811 —1817).
Es unterscheidet sich auch in der Technik von den übrigen, indem es eine Bleistiftzeichnung ist,
während alle andern Sepiazeichnungen sind. Scheffer hielt sich wiederholt in Rom auf, auch
gleichzeitig mit Schnorr 1820 und 1821, so daß er mit Recht den römischen Kunstgenossen
Schnorrs beigezählt werden kann.

Das erste der auf italienischem Boden gezeichneten Bildnisse ist am 5. März 1818 in Rom,
wo Schnorr zu Anfang des Jahres angekommen war, entstanden und stellt den Arzt Johann
Nepomuk Ringseis dar. Ringseis befand sich während der italienischen Reisen des bayrischen
Kronprinzen, des nachmaligen Königs Ludwig I., in dessen Gefolge. Er war es, der Cornelius mit
dem Kronprinzen bekannt machte, so daß Bimsen in einem Brief an König Friedrich Wilhelm IV.
von Preußen am 17. September 1840 schreiben konnte: »Ich erinnere mich des entscheidenden
Tages, als Ringseis ihn mit dem Titelblatte der Nibelungen zum Kronprinzen führte, der von ihm
kaum etwas wußte. Von diesem Tage stammt die europäische Blüte Münchens«. Ringseis ist auf
dem Bilde in die »altdeutsche« Tracht gekleidet, die der Kronprinz sowohl selbst trug als auch
von den Herren seines Gefolges und den deutschen Künstlern getragen wünschte. Im übrigen
paßt auf seine äußere Erscheinung noch die lebendige Schilderung Bettinens, die in ihrem »Brief-
wechsel Goethes mit einem Kinde« den Landshuter Studenten im Jahre 1810 also beschreibt:
»Nepomuk Ringseis, ein treuer Hausfreund [Savignys] hat ein Gesicht wie aus Stahl gegossen, alte
Ritterphysiognomie, kleiner, scharfer Mund, schwarzer Schnauzbart, Augen, aus denen die Funken
fahren, in seiner Brust hämmerts wie in einer Schmiede, will vor Begeisterung zerspringen, und da
er ein feuriger Christ ist, so möchte er den Jupiter aus der Rumpelkammer der alten Gottheiten
vorkriegen, um ihn zu taufen und zu bekehren«. Wiederholt ist Ringseis von den deutsch-römischen
Künstlern gezeichnet worden, so einmal gleichzeitig von einer ganzen Schar, darunter dem Bildhauer
Konrad Eberhard und dem Kupferstecher Barth; es ist nicht unmöglich, daß auch unser Blatt dieser

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