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Leopold Graf Kalckreuth, Dämmerstunde. Gemälde in Hamburg.

wie nur möglich zu sein. Liebermann und Kalckreuth hatten während mancher Jahre dasselbe Vor-
bild. Millet, sie haben ähnliche Themen gemalt. Trotzdem wird niemand frühe Bilder der beiden
Meister verwechseln. Hier müssen wir versuchen, unterscheidende Merkmale aufzufinden.

Millet bedeutete beiden die Bereicherung der Kunstform durch die Natur, die alten Formen
sollten durch die Berührung mit der Erde neues Leben bekommen. Denken wir an den Mann mit
der Hacke Millets, an die Ährenleserinnen von Kalckreuth, an die Frau mit den Ziegen Liebermanns.
Gemeinsam ist allen noch der strenge Aufbau, die Figuren bekommen Klang und Größe durch den
wohlbercchneten Rhythmus, mit dem sie im Rahmen stehen, mit dem sie aus der Umgebung
herauswachsen. Bei Millet ist das Mittel des bewegten Umrisses gegen einen ruhigen Hintergrund
am wirksamsten, die romanische Tradition gab es ihm ohne Zwang. Bei Kalckreuth hat die bewußte
Betonung des Statuarischen eine Einbuße erlitten, die Folie des Hintergrundes geht hoch hinauf,
der Umriß des stehenden Mädchens ist kaum gegliedert, die Härte, die in einer einfachen Stand-
figur vor ausgebreiteter Ebene liegen könnte (die Millet wohl genutzt hätte), ist durch das gebeugte
Bein des Mädchens gemildert. Die Einheit von Figur und Landschaft ist durch das Licht, das beide
umfließt, hergestellt. Bei Liebermann verbirgt sich das Bildschema noch mehr, die beiden Tiere, die
Basis des Aufbaues, sind räumlich auseinandergezogen und die Bewegung der Frau gibt dem
Drang zur Tiefe nach. Das Problem der Raumgestaltung, das Problem des Impressionismus,
kündigt sich an. In der Farbe ist die Trennung nicht weniger deutlich. Bei Millet füllt sie lediglich
den Umriß, bei Liebermann spricht sie nur als Tonwert, den Raum verdeutlichend, bei Kalckreuth

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