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■■KOMMM

Bibel ab. Nochmals sei's gesagt, nicht aus Grübelei, die aus Originalitätssucht kommt. Weiß ist voll
bildhaften Reichtums. So oft ich ihn eingeladen zu irgendeinem Großen irgendeiner Zeit — es lockte
ihn nichts. Er entbehrt nichts, hat nicht das geringste Verlangen oder Bedürfnis nach Anregung
durch irgendeinen andern Künstler. Er ist auch nach dem Weltkrieg als Künstler ein Kind geblieben,
das gar nicht daran denkt, daß hinter den nächsten Bergen noch andere wohnen könnten.

Ist das ein Fehler?

Wäre nicht für so Viele die Bescheidung auf die eigene, innere Bildwelt segensreich?

In den letzten Monaten trat an Weiß eine neue Aufgabe heran. Er soll eine kleine Liebhaber-
ausgabe der Offenbarung mit 12 Holzschnitten schmücken. Mit Holzschnitten ohne Zwischentöne;
alles fest und klar. Hier kommt die Einzelgestalt zum Ausdruck. Es wird das erste Werk der Hand-
presse Engels in Offenbach!

Neue Kraft, ein neuer Wille beseelt wieder den Künstler.

Noch nicht einmal acht Jahre ist es her, daß Weiß Kunstschüler geworden. Davon gehört die
Hälfte schier der Soldatenzeit an! Welch erstaunliches Schaffen. Doch so groß auch die Zahl der
Werke, so unerschöpflich die Quelle seiner Erfindungen sprudelt, die unwillkürliche Einheitlichkeit
seiner Sprache, die Überzeugungskraft seines Weltbildes, das aufwühlende Temperament seiner
Musik, die tiefste Innigkeit, von der all seine Geschöpfe und Schöpfungen beseelt, die machen uns
seine Persönlichkeit so lieb, so kostbar und groß.

Ich weiß sehr wohl, Weißens Erfolge haben viel Neider erzeugt, viele Zweifler an der Möglich-
keit seines weiteren Fortschreitens. Man beklagt des Künstlers Manier und zeigt auf die Unvoll-
kommenheiten seiner Zeichnung. — Ist das der rechte Weg für Genießer und Empfangende?

Manier, Mangel an Durchstudiertem, wer kann das leugnen? Aber die wollen wir doch lieber
an jenen zahllosen Malern und Zeichnern aus Gegenwart und Vergangenheit tadeln, die nichts als
das bedeuten. Waren nicht ganz Große oft in der Jugend Manieristen der Form? Maler, Dichter,
Musiker? Kann das die Größe ihres Erfindungsreichtums, ihrer Phantasie, ihrer darstellerischen
Persönlichkeit und Macht überhaupt beeinträchtigen?

Ich bin der Meinung, wer so unerhört Reiches in solcher Jugend uns schon gab wie Weiß,
an dem haben wir nicht zu schulmeistern, zu nörgeln, nach alter häßlicher Art, die nur den Philister
kennzeichnet, der niemals auch der größten Persönlichkeit das Recht einräumen mag und kann,
ganz anders zu reden, zu gestalten als Ungezählte, die nur anerkannt werden, weil sie mit den
vollkommenen Konventionen einer Masse reden.

Wenn bisher dem Weiß für das Studium mit dem Griffel in der Hand wenig Zeit, Lust, Muße
blieb, — so ist das seine Sache. Ich kann versichern, wenn ich noch nie einen Künstler gekannt, der
so wenig zeichnerisch studierte, so habe ich doch auch kaum je einen jungen oder alten Künstler
kennen gelernt, der so erstaunlich sicher die Dinge nur im Schauen durchstudierte wie Weiß.

Ich glaube an seinen Weg. Und wenn er nun nichts schüfe, was das Bisherige in den Schatten
stellen könnte — wäre das nicht schon über die Maßen außergewöhnlich?

Was geht das Kommende uns an?

Wollen wir's jenen Elenden nachmachen, die nur deshalb das Vermächtnis des Reichen
schmähen, weil er ihnen nicht noch mehr vermachte?

Glücklicherweise ist Weiß trotz aller bisherigen Erfolge anspruchslos, denn er ist nicht dafür
geschaffen, sich etwa in irgendwelchen illustrativen Frondienst zu stellen.

Er hat jetzt Muße, seinen Studien, die der Krieg so jäh unterbrochen, zu leben. Er möge sich
immer neue Kraft und Sicherheit holen. Das ist unser Wunsch zu neuem Schaffen! E. W. Bredt.

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