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Eine der beliebtesten Szenen, die
Begegnung von König Khosrau mit
der badenden Shirin, war besonders
geeignet, persönliche Neigungen der
Künstler in landschaftlicher Richtung
zu entfalten und mit dem sentimen-
talen Vorwurf in Einklang zu bringen.
Selten aber ist das Motiv so reizvoll
erfaßt und mit soviel Feingefühl für
koloristische Werte behandelt worden
wie in einer kürzlich von der Islami-
schen Abteilung der Berliner Museen
erworbenen, 1420 für den Prinzen
Baisonqur, einen bekannten Bibliophi-
len, hergestellten Anthologie (Abb. 4).
Eine ähnlich' empfindsame Note wird
gelegentlich im italienischen Quattro-
cento angeschlagen, und es mag nicht
ausgeschlossen sein, daß Pisanello,
Uccello, Benozzo Gozzoli und an-
dere Meister persische Miniaturen
zu Gesicht bekamen, von denen sie
sich in einzelnen Fällen anregen
ließen.

Wenig später bietet in einem entzückenden Blatt des Pariser Kunstgewerbemuseums (Abb. 5),
das übrigens von der durch Timur vermittelten Berührung mit der Malerei der Mingzeit Kunde
gibt, die Schilderung des Zusammentreffens von Humay und Humayun im Garten des chinesischen
Kaiserpalastes willkommenen Anlaß zur Ausbreitung einer Blütenpracht, wie sie üppiger und
berauschender schwerlich erträumt wurde. Die Figuren selbst sind wie große Blumen fast unmerk-
lich zwischen die blühenden Stauden gesetzt, um den Zauber der Komposition nicht zu stören. Und
abgesehen von den koloristischen Möglichkeiten, die hier ausgeschöpft wurden, weist dieses Bei-
spiel besonders eindringlich auf die dekorativen Vorzüge der flächenhaften Vertikalstaffelung hin:
bei Anwendung der räumlich vertiefenden Horizontalperspektive wäre ein so unerhörter Reichtum
im Aufbau der Landschaft nie zu erreichen gewesen.

Wie hier in die verschwenderische Blumenfülle eines Gartens, so hat sich in einem anderen Falle
ein persischer Künstler in die Geheimnisse der Waldnatur mit einer Inbrunst versenkt, wie wir sie
eigentlich nur bei unseren alten deutschen Meistern, etwa bei Altdorfer, wiederfinden. Diesmal gab den
Anlaß die Schilderung der Episode, wie Rustem sich ruhig zum Schlafe hingestreckt hat, während sein
Roß Rekhsch den Kampf mit einem den Helden überfallenden Löwen aufnimmt (Abb. 6). Die Szene
spielt sich in einem unzweifelhaft von Wirklichkeitseindrücken angeregten, im übrigen aber ganz aus
der Phantasie geborenen Märchenwalde ab, inmitten eines gespenstischen Dickichts von Bäumen,
Sträuchern und Büschen, Farren, Disteln und Blumen, von dramatischer Stimmung durchtränkt im
Hinblick auf den heroischen Vorwurf. Und wie in allen derartigen Blättern wird der Text selbst mit
herangezogen, um in einigen weise verteilten Verszeilen die geschlossene Bildwirkung zu erhöhen.

Abb. 4. »Khosrau entdeckt Shirin«. Persien (Schiraz), datiert 1420 n. Chr.
Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum.

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