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Die alte Gewohnheit der Arbeitsteilung aus den Zeiten Dürers und Holbeins hat auch
den größten Teil des XIX. Jahrhunderts gegolten. Weder Schwind noch Führich, weder
Ludwig Richter noch Menzel ist es eingefallen, sich selbst an das Schneiden ihrer Zeichnungen zu
machen. Standen diese sorgfältig durchgeführt auf dem Holzstock, so überließen sie den Rest der
Arbeit der geschulten Hand des Holzschneiders, um erst in den Probedrucken einzelne Korrekturen
anzubringen. Auch in dieser Zeit, für die wir übrigens in den meisten Fällen genaue Nachrichten
über den Arbeitsgang haben, ist alles als Originalholzschnitt anzusehen, was vom Künstler eigen-
händig auf den Holzstock gezeichnet wurde. Die weitere Unterscheidung nach Werken, die der
Künstler selbst während des Schneidens überwacht und verbessert hat, und solchen, die er erst in
den Auflagedrucken wiedersah, ist, wenn auch im einzelnen Fall aufschlußreich, als Grundsatz
aufgestellt zu spitzfindig und auch nicht immer durchführbar.

Alfred Rethel, der Zeitgenosse Richters und Schwinds, hat seine Holzschnittzeichnungen,
ebensowenig wie jene, selbst geschnitten. Wir wissen, wer sie ausführte: Hugo Bürkner mit seinen
Schülern und Gehilfen. Der Name des Holzschneiders befindet sich meist neben dem Monogramm
Rethels auf den Drucken oder ist anderweitig überliefert. Wir können auch bei den meisten Zeug-
nisse darüber beibringen, ob die Aufzeichnung vom Künstler selbst oder von anderer Hand vor-
genommen wurde. Dem oben Ausgeführten entsprechend, werden wir nur im ersten Fall von
Originalarbeiten sprechen dürfen, alles andere aber als Reproduktionsholzschnitt bezeichnen müssen.

Rethel selbst vertrat den Standpunkt, die Aufzeichnung sei vom Erfinder zu machen. In einem
Brief an das Bibliographische Institut in Hildburghausen, das wegen einer illustrierten Bibel an ihn

herangetreten war, schreibt er aus Dresden am 25. Februar 1852: »......weil ich nicht blos die

Composition zu machen, sondern dieselbe auch selbst auf den Holzstock aufzunehmen und aus-
führen muß, und dies halte ich wohl in Ihrem als in meinem Interesse für nöthig und höchst
wichtig, denn wenn ich die Compositionen selbst auf den Holzstock zeichne, können wir versichert
sein, daß die Sache so wird wie es aufgezeichnet worden, und jedes Blatt ist dann gewissermassen
als eine Handzeichnung zu betrachten, und es gewährt ein so größeres Interesse für das Werk«
(Brief im Besitz der Frau Else Sohn-Rethel in Düsseldorf). — Diese Bibelillustrationen sind nicht
über die Vorarbeiten zu wenigen Blättern hinausgekommen; der Künstler wurde innerhalb Jahresfrist
von der Geisteskrankheit befallen, aus der er nicht wieder erwachen sollte. Die Äußerung ist für
seine Einstellung wichtig. Sie belehrt uns auch darüber, daß er unter »Composition« die Erfindung
und zeichnerische Durchführung, unter »Ausführung« die Übertragung auf den Stock verstand.
Wie er dabei verfuhr, lehren zahlreiche noch erhaltene Zeichnungen: erst wenn nach mehrfachen
Entwürfen alles feststand und auf dem Papier durchgeführt war, wurde die Umzeichnung auf den
Stock begonnen.

Aus dieser Zeit besitzen wir einen Holzstock Rethels zu den »Fröschen« des Aristophanes
(1852), der nicht geschnitten worden ist und noch unberührt in der Xationalgalerie in Berlin auf-
bewahrt wird. Er trägt in kräftigen Zügen, in schwarzer und weißer Deckfarbe ausgeführt, die
Zeichnung, aus der zu ersehen ist, daß Rethel dem Holzschneider viel an Verständnis für seine
Absichten zumutete (neuerdings von Oskar Bangemann photographisch auf einen neuen Holzstock
übertragen und geschnitten). Wie diese Vorzeichnung haben wir uns auch die zu den beiden
Blättern »Der Tod als Freund« und »Der Tod als Erwürger« zu denken, die Rethel, wie aus
mehreren Stellen in seinen Briefen hervorgeht,1 um die Jahreswende 1850, 51 auf den Stock

1 Alfred Rethels Briefe. In Auswahl herausgegeben von JosefPonten. Berlin 1912. S. 144, 146 t., 148, 152. Vgl. aueh: Meine Erinnerung an
Alfred Rethel, mitgeteilt von Max Schmid in Vclhagen und Klasings Monatsheften, 1897/98, II, 375, 378.

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