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die Vorstudien für das Bild der drei Jünglinge (1858) genannt, denen im Traum die Muttergottes
die Bischofsstäbe von Passau, Salzburg und Würzburg übergibt. Ein nach dem Modell in natür-
licher Haltung skizzierter schlafender Jüngling verwandelt sich nach dem Vorbild der Statue der
Ariadne auf Naxos durch Herüberlegen des Armes über den Kopf in eine klassizistische Figur-(vgl.
Abb. 15). Ohne Zweifel hat die Gestalt dabei an Gehalt verloren. Das Verhältnis zur Antike ist nicht
lebendig genug, um die eigene Kraft anzuregen, sondern wie ein kaltes Schema legt es sich über
das vor der Natur soeben gestaltete Bild. Mit dieser Erbschaft der Akademie war das so ursprüngliche
Talent Kupelwiesers belastet.

Allerdings bedeutete diese Belastung insofern auch einen Gewinn, als dadurch die Verbindung
mit der Vergangenheit erhalten blieb. In der Festigkeit der Tradition lag die eigentliche Stärke der
Wiener Schule. Der hohe Stand, den die Wiener Malerei im 18. Jahrhundert erreicht hatte, macht
die Zurückorientierung Kupelwiesers verständlich. In den Zeichnungen seiner Spätzeit lebt die
breite, malerisch wirkende Strichlage, die farbige Haltung, die kräftige Modellierung der Schmutzer-
Schule wieder auf. Die feine harte Linie der Nazarenerzeichnung ist völlig ausgetilgt. Dabei ist von
einem Kopieren der Natur keine Rede. Das Naturbild vor ihm verschmolz mit den Gestalten und
Gesichtern, die vor seiner Seele standen.

Man verkennt die innere Kraft, die die Tätigkeit dieses Künstlers speiste und die ihr eine reli-
giöse Wirkung gegeben hat, die weit über die künstlerische hinausreicht, wenn man glaubt, daß
seine Arbeit im Dienst der Kirche für ihn einen Abweg bedeutete. Seine Frömmigkeit war die Kraft,
die ihn emporhob. Nur danach wollte er beurteilt sein, wieviel Gutes von seinen Werken in die
Herzen der Andächtigen überging. Er konnte darauf vertrauen, einst reiche Ernte zu halten. Mit
leiser, aber fester Hand wußte er an das Herz des Volkes zu rühren. Daß er künstlerisch nicht etwas
erreichte, wozu wir uns heute noch voll und ganz bekennen können, lag an dem Zwiespalt, in den
er durch die religiöse Entwicklung geriet. Wieviel er der Forderung verdankte, seine Themen nach
ihrer inneren Bedeutung darzustellen, so hemmend wirkte, daß die religiöse Kunst — immer nur
von der bildenden gesprochen — den universellen Charakter einbüßte und die Verbindung mit der
Natur und dem Volkstum aus den Augen verlor. Es wäre verkehrt, der Kirche daraus einen Vor-
wurf zu machen. In der Vergeistigung lag ihr Wachstum. Musik, Poesie, die Kunst des gesprochenen
Wortes waren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts an Stelle der bildenden Kunst zu der ihr
eigentümlichen Sprache geworden. Kupelwieser hat darunter gelitten. Er suchte, wenn auch nicht
entschieden und bewußt genug, an der Natur einen Halt zu finden. Trotz dieses Zwiespaltes geht
durch seine Werke ein Ton von Schönheit und Innerlichkeit, der — wenn auch nur leise — unver-
lierbar weiterklingen wird. Unsere Zeit, in der sich seit einem halben Jahrhundert die Scheidung
zwischen Religion und bildender Kunst vertieft hat, wird mit Sehnsucht auf diese letzten Werke
zurückblicken, in denen noch ein Hauch von beiden lebt, von Kunst und Glauben.

Eberhard Hempel.
 
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