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Nicht seiner Form wegen (weil als Probe eines »neuen Sonettes« schon das oben abgebildete
Einleitungsgedicht zum »Weltuntergang« dienen kann), sondern um seines für Birnbaum so über-
aus charakteristischen Inhaltes willen sei noch das folgende »neue Sonett« abgedruckt:

»GOTTES RECHT

Es ist nicht wahr, daß du den Willen habest,
Dies oder das zu tuen oder nicht!
Was du vor dir als selbst gewollt ausgäbest,
Ist nur von Mir dir abverlangte Pflicht.

Nichts ist in dir, was Meinen Willen bricht;
Was Ich dir vorgeschrieben, muß geschehen;
Und dennoch wirst vor Meinem Weltgericht
Für das von Mir Getane du einstehen,

Für das von Mir Befohlne du aufflehen!
Ich sündige in dir und Ich umhüll'
Mit Höllenmarter dich für Mein Vergehen! —
Entsetzt es dich? Schreit deine Seele schrill,

Das sei nicht göttlich, noch gerecht? Sei still! —

WAS RECHT? ICH — GOTT! ICH TUE, WAS ICH WILL!«

In Prosa hat Birnbaum einen Zyklus phantastischer Kriegsnovellen verfaßt, von denen eine,
»Abrechnung«, in der Wiener illustrierten Monatsschrift für die jüdische Familie »Menorah«
(d. i. der heilige siebenarmige Leuchter), II. Jg., Nr. 5, Mai 1924, S. 12 ff., abgedruckt ist.1 Im
laufenden Jahr, 1927, entstanden die gleichfalls phantastischen, aber »antiutopistischen« Novellen,
die nach der längsten von ihnen unter dem Titel »Der Mann, der alle Macht besaß« zusammen-
gefaßt sind.

Von Birnbaum, dem Essayisten, war schon die Rede. Unter seinen hierher gehörigen Arbeiten
sei die über »Gläubige Kunst« (R. Löwit, Wien und Berlin 1919, Bücher der Arche) besonders
hervorgehoben.

Ein Bild von Birnbaums Persönlichkeit wäre unvollständig, würden zum Schluß nicht noch
zwei Umstände berührt. Zuerst muß hier nochmals und nachdrücklichst der hohe ethische Gehalt
seines Schaffens betont werden. Birnbaum bietet das Beispiel einer ausgeprägten, und zwar religiösen
und konservativen Weltanschauung, die sich in allen seinen Arbeiten auswirkt, jedes Paktieren
schroff zurückweist und selber stets zu Kampf und Angriff bereit ist. Bei Birnbaum ist eben der
eifervolle fromme Jude vom Dichter und vom Künstler nicht zu trennen, wie bei ihm auch der
Künstler und der Dichter nicht voneinander geschieden werden können, und die starke Eigenart der
Gesamterscheinung, des Ganzen drängt die Mängel der einzelnen Teile in den Hintergrund. Mit
diesem Sachverhalt muß sich jeder abfinden, der sich mit Birnbaum und seinem Werk befaßt. Die
zweite Tatsache, die hier erwähnt werden muß, ist die, daß Uriel Birnbaum der Sohn Dr. Nathan Birn-
baums ist, der früher unter dem Pseudonym Mathias Acher geschrieben hat. Wer diesen verehrungs-
würdigen Mann, zweifellos eine der führenden Persönlichkeiten des Judentums unserer Tage, in der
etwas vom Geiste der Propheten nachzuwirken scheint, wenn auch nur flüchtig, aber unbefangenen
Sinnes kennen gelernt hat, der wird sich sofort darüber klar sein, daß Uriel Birnbaums Lebenswerk
trotz allen Verschiedenheiten in dem seines Vaters wurzelt und es weiterführt.

Arpad Weixlgärtner.

1 In dieser Zeitschrift, S. 15 f., findet sich auch eine kurze Autobiographie Birnbaums.
 
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