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EIN BRIEF RAINER MARIA RILKES
ÜBER PAUL CEXANNE UND OSKAR KOKOSCHKA.

In der ersten Zeit nach dem Umsturz hatte sich der Unterzeichnete vergeblich bemüht, für die
vorliegende Zeitschrift einen Autor für einen Artikel über Kokoschka zu finden. (Vergl. den Rückblick
anläßlich des fünfzigjährigen Jubiläums der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst in den » Graphischen
Künsten«, 1921. S. 8). Im Verlauf dieser Bemühungen hatte er sich 1920 auch an Rainer Maria Rilke
gewandt, weil er sich erinnerte, daß ihm sein Freund Hofrat Dr. Gustav Glück, der Direktor der
Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums, mit dem er sich lange Jähre hindurch in die Schrift-
leitung der »Graphischen Künste«, teilte, einmal gesagt hatte, daß er in einer Gesellschaft den Dichter
Rilke angeregt und anregend über Kokoschka habe sprechen hören. Das war in Wien im Salon der Fürstin
Marie Thum und Taxis, auf deren Schloß Duino an der Adria Rilke bereits 1911 die ersten drei seiner
freilich erst 1923 vollendeten »Duineser Elegien« gedichtet hat. Den Brief des Unterfertigten an den
damals in der Schweiz weilenden Dichter vermittelte freundlicherweise der seither, 1922, gleichfalls
verstorbene Wiener Kunsthistoriker Dr. Oswald Kutschern von Woborsky, der ein Vetter Rilkes und
Mitarbeiter unserer -»Mitteilungen« war.

Rilke hat nicht nur über die Worpsweder Malerschule geschrieben (Bielefeld u. Leipzig, 1903),
sondern auch ein öfter aufgelegtes Buch über den während des Krieges, 1917, dahingegangenen Auguste
Rodin verfaßt, dessen Privatsekretär er war (Berlin, 1903, 1904 u. 1907; Leipzig, 1913, 1917, 1919
u. 1920). Unter Zurücklassung seiner reichhaltigen und kostbaren Bibliothek verließ er am 12. Juli 1914
Paris, ohne zu ahnen, daß er weder seinen großen Freund noch seine geliebten Bücher jemals sollte
wiedersehen.

Rilkes Antwort auf den Brief des Unterzeichneten ist zwar eine Absage, aber über die von
Cezanne und Kokoschka handelnden Stellen hinaus besonders in den knappen Worten über die
allzugroße Hast gegenwärtiger Kunstübung als Äußerung eines hochgebildeten Kunstfreundes und
eines der edelsten Dichter aus der Endzeit der alten Monarchie lehrreich und bedeutsam.

Rilke starb einundfünf zigjährig in der Fremde, im Sanatorium Val-Mont zu Glion par Territet
im Schweizer Kanton Vaud, am 29. Dezember 1926.

Arpad Weixlgärtner.
 
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