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auftritt, doch innen voller Besinnung ist, keine rechte Stelle des Anschlusses. Nun giebt es ja aller-
dings eine Bewunderung, die sich risquiert —, und ich fühle mich schließlich auch noch jung genug,
diesen Aufwand auf gut Glück an irgendein Gewagtestes auszugeben, — doch scheint mir einer
solchen Bewegung wiederum jene Verantwortlichkeit abzugehen, ohne die — mehr und mehr —
eine schriftliche Feststellung mir voreilig und eigentlich unberechtigt scheint.

Was nun Kokoschka angeht, so hab ich freilich, zu jener Zeit, deren sich Herr DE Glück
erinnert, eine derartige Überzeugung für ihn empfunden und ausgesprochen; aber meine Beziehung
zu seinen Arbeiten ist in den damaligen Anfängen stecken geblieben; die Zeit in Wien (sie liegt
nun schon vier Jahre zurück!) war kurz, und, da ich nur durch meine Einrückung dort festgehalten
war, brachte ich es auch innerlich nicht zu der Freiheit und Fruchtbarkeit meines sonstigen Auf-
nehmens. Ich vermöchte also in keiner Weise an das Erlebnis des Jahres 1916 anzuknüpfen;
äußerlich erlaubten die Umstände nicht seine Fortsetzung (ich habe seither so gut wie keine
Arbeiten Kokoschka's zu Gesicht bekommen!) — innerlich aber haben sich jene Eindrücke zu
einer Art Besorgtheit zusammengezogen, als ob jene große Begabung untrennbar mit den ihr inne-
wohnenden Gefährdungen verbunden sei, die vielleicht nicht andere sind, als die allgemeinen der
Zeit, nur daß sie, in diesem Künstler noch einmal mitgeboren, mit seiner Produktion wachsend,
ihre zerstörende Kraft in demselben [ Maaße]' entwickeln, in dem seine Persönlichkeit zunimmt. Münch
hat schon diese konstruktive Gewalt des Schreckens in seine Linien eingeführt, — aber er ist
unendlich viel mehr »Xatur« als Kokoschka und so gelang es ihm, die Gegensätze des Erhaltenden
und Vernichtenden immer wieder im bloß räumlichen Ereignis, im »Bilde« zu entwaffnen.

Das ist Alles, was ich, aus dem fortwährenden Stehgreif meiner jetzigen Lage, über den vor-
geschlagenen Gegenstand vorzubringen wüßte; es füllt zur Noth einen Brief, enthält aber, wie Sie
sehen, kein Material zu dem geringsten Aufsatz.

Empfehlen Sie mich Herrn Director Dr Gustav Glück auf das Sorgfältigste und empfangen
Sie die Grüße meiner Hochschätzung und Ergebenheit:

Rainer Maria Rilke.«

1 Hier fehlt im Original ein Wort. Es dürfte »Maaße* Otter »Grade* ~H ergänzen sein. A. W.
 
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