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der dunklen Bagger, der dunklen
Lokomotiven und Waggons mit
Erdmassen, der dunklen Geleise
und der dunklen Menschen einzu-
dringen. Es war keine belebte Bau-
stelle, sondern eine in Aufruhr be-
griffene Wüste von 120 Kilometer
Ausdehnung. In vier Jahren wird
hier der Albertkanal sein,derLüttich
mit Antwerpen verbinden soll.

Die vierte Baustelle, die Blei-
lochsperre in Thüringen, erinnerte
in den Raumproblemen an das
Schluchseewerk, vermittelte aber
noch gesteigerte Eindrücke. Die
letzte: das Schiffshebewerk Nieder-
Finow in der Mark erschien als Bau-
werk selbst, gegenüber dem früher
Gesehenen, wie eine Filigranarbeit,
freilich eine von Riesenhänden. An
diesem knallrot gegen den märki-
schen Sand gestellten Bauwerk be-
geisterte mich die nackte Konstruk-
tion, diese zweckmäßig verlagerten
Eisenmassen, die Riesenkrane,
die alle Konstruktionsstücke so
leicht bewegen, als ob sie aus
Papier wären: die aus der Zeich-
nung zur Welt gebrachte tech-
nische Idee.

Meine Studien waren beendet. Mit wohlverpackten Skizzenblättern kehrte ich in die Heimat
zurück. Ein paar Stunden Eisenbahnfahrt, und schon klärt sich das Chaos ein wenig. Aus dem Meer
von Eisen, Holz, Beton, Gestein, Fluten, Sanddämmen von unglaublichen Tiefen und symbolischer
Ferne tauchen Visionen auf. Ich hoffe, daß ich ihnen Form geben kann. Das besessene Jagen
nach den technischen Einzelheiten, der immer treibende Zwang einzufangen, nachzuahmen, fest-
zuhalten löst sich. Die sonderbare Selbstverständlichkeit, mit der man in jeder dieser eigentümlichen,
erstaunlichen Erscheinungen sofort heimisch war, schwindet. Die Merkwürdigkeiten dieser Erlebnisse
steigen aus dem Nebel der Besessenheit hervor, unbeweglich, symbolisch, groß, klar, ferne und
unbeschwert von Einzelheiten, Visionen des Geschauten, die festzuhalten mein künstlerisches
Ziel ist. Lili Rethi.

Uli Rethi, Schiffshebewerk in Nieder-Finow bei Eberswalde,

Zeichnung.

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