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Jahrzehntes vergleicht. Aber das persönliche Moment im Ausdruck, den eine gewisse Bonhommie
und behagliche Zufriedenheit kennzeichnet, ist vorhanden. Wir dürfen von diesen Bildnissen
freilich auch keine historische Treue erwarten. Fast immer wählt Agostino das Zeitkostüm.
Aber auch so ergeben sich sehr reizvolle Möglichkeiten zur Abwechslung durch das reiche
Pelzwerk, den Kopfputz, die goldenen Ketten und die kostbaren Medaillen.

Um 1583 sticht der Künstler nach eigenem Entwurf in einer Folge kleiner Blätter Christus,
Maria und die zwölf Apostel (B. 48—62). Man wird sich nicht verhehlen können, daß diese
Arbeit schwächer ist als die anderen gleichzeitigen Werke, so daß man sich die Frage vorlegt,
ob das Datum, welches sich auf dem Stich des Johannes befindet, auch für die ganze Serie
maßgebend ist oder ob dieses Jahr nur den Abschluß der früher begonnenen Arbeit bedeutet.
Jedenfalls sind die Bewegungen recht unbeholfen und den Standmotiven gebricht es an jeder
Energie und statischen Sicherheit. Derselben Zeit wie die Textillustrationen der „Cremona
Illustrata" gehört auch das Blatt der „Ruhe auf der Flucht nach Ägypten" (B. 14) an. Der
Erfinder des Vorwurfes ist ein gewisser uns nicht bekannter Maler Bernardino Passeri. Das
Original ist von Cort gestochen worden und von dort wird es durch Agostino übernommen.
In der Arbeit unseres Künstlers sind freilich nur noch geringe Spuren des Cortschen Vorbildes
zurückgeblieben. Die graphische Faktur ist breit und sicher, von jener schwungvollen Kraft
der Strichlagen und jener klaren Durchsichtigkeit, welche die nach dem venezianischen Auf-
enthalt Agostinos entstandenen Arbeiten kennzeichnen.

In dem 1585 datierten Blatt des Carlo Borromeo (B. 138), welches der Künstler Carl Emanuel
von Savoyen widmet, sind die verschiedensten Bildgedanken früherer Kompositionen in einem
prunkvollen architektonischen Aufbau vereinigt worden. Die von einem schweren Rahmen
umgebene Kartusche mit dem Bildnis des Heiligen ruht auf einem Piedestal, welches auf der
Vorderseite von dem savoyischen Wappen geschmückt wird. Das Porträtmedaillon ist gegen
eine von einer monumentalen Säulenordnung gegliederte Wand gelehnt, die an die Renaissance-
grabmäler Venedigs erinnert, wie sie Agostino bei seinem Aufenthalt in der Lagunenstadt
sehen konnte. Der besondere Reiz des Blattes beruht auf den zahlreichen Einzelgestalten,
welche über das ganze System der Bildarchitektur hin verstreut sind und am unteren Bildrand
zu Gruppen vereinigt den Charakter selbständiger Einzelszenen annehmen. Ein Jagdhüter
mit geschulterter Wurf schaufei schafft auf der linken Seite die Meute heran und rechts greift
ein Jägersmann mutig einen Bären an, welcher ein Lamm zerrissen. Mit diesen Szenen korre-
spondieren streng symmetrisch verteilt auf den Voluten des Rollwerkes der Kartusche zwei
spielende Kinder und über dem Gesims sitzend und kniend vier allegorische Frauengestalten,
die vor der Attika Platz genommen haben.

Dieses Blatt ist in jener regelmäßigen und gepflegten Strichmanier behandelt, die auch die
Stiche des Campischen Werkes auszeichnet. Die Einzelerscheinung besitzt dieselbe durch die
Mittel der Schraffierung hervorgerufene plastische Kraft und Selbständigkeit im Raum. Nur
in der Pracht der kompositionellen Gliederung und in der Wucht, mit der sich die Gestalten
von dem System der Architektur loslösen, macht sich ein Fortschritt geltend, der für die
gesteigerte Empfindung des Künstlers wie für das körperliche Eigenleben der Gestalten inner-
halb des Bildaufbaues bezeichnend ist. Die in ihrer Herkunft so verschiedenartigen Teile,
aus denen sich die Wandgliederung zusammensetzt, sind zum ersten Male zu einem wirklichen
Organismus geworden und entfalten ihre Kraft in einer harmonischen Verbindung aller archi-
tektonischen und figürlichen Elemente zu einem Ganzen.

Der 1586 entstandene Stich der „Vermählung der hl. Katharina" (B. 97) deutet wiederum
auf einen Aufenthalt in Venedig hin, denn nur in der Lagunenstadt konnte der Künstler das
von Paolo Veronese stammende Original studieren und die für den Stich notwendigen Vor-

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