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Glaser, Curt
Die Kunst Ostasiens: der Umkreis ihres Denkens und Gestaltens — Leipzig: Insel-Verl., 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.53086#0160
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Schemen. — So erfüllt sich in dem Schaffensprozeß
selbst noch einmal die Folge der sechs Gebote des
Hsieh Ho.
Die berühmte Landschaft desWuTao-tzü war noch
eine Idealvedute, weil sie die Stimmung einer beson-
deren Örtlichkeit wiederzugeben hatte. Der Kaiser wäre
mit einer Phantasielandschaft nicht zufriedengestellt
worden. Der Künstler wiederum hätte sich mit ein-
facher Formen Wiedergabe nicht Genüge getan. Er
fand den Weg, den viele nach ihm gingen. Er nahm
den eigenen Klang einer individuellen Natursituation
zum Ausgang. Erinnerungsvorstellungen gesehener
Formbildungen liegen zugrunde, aber sie sind nicht
das bestimmende Gestaltelement.
So sind in der gemalten Folge der Jahreszeiten nicht
die Blüten des Frühlings oder das bunte Laub des
Herbstes das Wesentliche. Die Allgemeinstimmung der
Jahreszeit gibt den Grundton, dem die besonderen
Einzelzüge sich einordnen müssen. In den Stimmungs-
bildern von den Flüssen Hsiao und Hsiang, die als
die beliebtesten „acht Landschaften“ immer wieder
in China wie in Japan gemalt wurden, treten die situa-
tionsbezeichnenden Eletnente ganz in den Hintergrund.
Der besondere Gefühlskomplex des Themas bestimmt
allein die Komposition.
In diesem reinen Stimmungsbild verliert die Einzel-
form mehr und mehr an Bedeutung. Eine Kurzschrift
der Landschaftsmalerei bildet sich aus, die auf jede
Charakterisierung des Details Verzicht leistet und nur
das Ganze eines Gefühlserlebnisses in seinen Urele-
menten wiedergibt. Wenn eine Kunst, so spiegelt diese

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