DIE KUNST DER HAKUHO-ZEIT IN JAPAN
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DIE KUNST DER HAKUHO-ZEIT IN JAPAN
Wie die großen Meisterwerke der Weizeit nicht auf chinesischem, sondern
auf japanischem Boden erhalten sind, so steht die Hauptschöpfung der
klassischen Epoche der frühen T’angzeit in einem japanischen Tempel, in
seiner einsamen Größe das gewaltige Zeugnis östlicher Bildnerkunst auf der
Höhe ihres Weges zur Meisterschaft. China muß als die eigentliche Heimat
der bronzenen Yakushi-Trinität (81—85) gelten, wenn auch noch immer,
obwohl die unmittelbaren Beziehungen Japans mit China während der Hakuhö-
zeit (645—710) enger geknüpft wurden, Korea die Brücke nach dem Insel-
reiche gebildet zu haben scheint; wird doch die bronzene Shö-Kwannon im
Töindö des Yakushiji (Kümmel, Taf. 9), die beim Hinscheiden des Kaisers
Kötoku im Jahre 654 von dessen Gattin geweiht wurde, von der Überlieferung
als ein Tributgeschenk des koreanischen Hofes bezeichnet, die Yakushi-Trinität
selbst, die im Jahre 697 nach dem Tode des Kaisers Temmu dem Kultus über-
geben wurde, mit dem aus Korea zugewanderten Priester Gyögi in Verbindung
gebracht. Aber solche Kunde nützt wenig, da nicht die Sonderzüge einer
spezifisch koreanischen, von der gleichzeitigen Kunst des chinesischen Reiches
unterschiedenen Übung sichtbar werden, vielmehr allein die hohe Meisterschaft
ihres Schöpfers die herrlich schwarz leuchtenden Bronzen über die in China
erhaltenen Steinskulpturen weit hinaushebt.]
Man wird, wenn man die Stilstufe zu bestimmen versucht, den scheinbar
archaischen Charakter der Shö-Kwannon, die doch in jedem Zuge den Geist
der T’angzeit offenbart, nicht allzusehr betonen dürfen, da die kerzengerade
Unbewegtheit der großartig eindrucksvollen Figur wohl durch die rituelle
Aufgabe bedingt gewesen ist. Denn wenn diese heilige Starre in den Statuen
von Nikkö und Gakkö (83—84), den Begleitern des thronenden Yakushi, sich
in eine leichte seitliche Schwingung zu lösen beginnt, so gehörte diese andere
Haltung ebenso zu den typischen Attributen assistierender Bodhisattvagestalten,
wie sie ähnlich in vielen Steinreliefs der T’angzeit begegnen (73—74).
Hier aber, in der gewaltigen Trinität des Yakushiji, ist das große Meister-
werk der Epoche erhalten, das Werk, das allein erkennen läßt, welcher Leistung
die klassische Zeit östlicher Kunst fähig gewesen ist. Keine andere Buddha-
gestalt kann sich an hoheitvoller Würde mit dem Heilbringer des Yakushiji
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DIE KUNST DER HAKUHO-ZEIT IN JAPAN
Wie die großen Meisterwerke der Weizeit nicht auf chinesischem, sondern
auf japanischem Boden erhalten sind, so steht die Hauptschöpfung der
klassischen Epoche der frühen T’angzeit in einem japanischen Tempel, in
seiner einsamen Größe das gewaltige Zeugnis östlicher Bildnerkunst auf der
Höhe ihres Weges zur Meisterschaft. China muß als die eigentliche Heimat
der bronzenen Yakushi-Trinität (81—85) gelten, wenn auch noch immer,
obwohl die unmittelbaren Beziehungen Japans mit China während der Hakuhö-
zeit (645—710) enger geknüpft wurden, Korea die Brücke nach dem Insel-
reiche gebildet zu haben scheint; wird doch die bronzene Shö-Kwannon im
Töindö des Yakushiji (Kümmel, Taf. 9), die beim Hinscheiden des Kaisers
Kötoku im Jahre 654 von dessen Gattin geweiht wurde, von der Überlieferung
als ein Tributgeschenk des koreanischen Hofes bezeichnet, die Yakushi-Trinität
selbst, die im Jahre 697 nach dem Tode des Kaisers Temmu dem Kultus über-
geben wurde, mit dem aus Korea zugewanderten Priester Gyögi in Verbindung
gebracht. Aber solche Kunde nützt wenig, da nicht die Sonderzüge einer
spezifisch koreanischen, von der gleichzeitigen Kunst des chinesischen Reiches
unterschiedenen Übung sichtbar werden, vielmehr allein die hohe Meisterschaft
ihres Schöpfers die herrlich schwarz leuchtenden Bronzen über die in China
erhaltenen Steinskulpturen weit hinaushebt.]
Man wird, wenn man die Stilstufe zu bestimmen versucht, den scheinbar
archaischen Charakter der Shö-Kwannon, die doch in jedem Zuge den Geist
der T’angzeit offenbart, nicht allzusehr betonen dürfen, da die kerzengerade
Unbewegtheit der großartig eindrucksvollen Figur wohl durch die rituelle
Aufgabe bedingt gewesen ist. Denn wenn diese heilige Starre in den Statuen
von Nikkö und Gakkö (83—84), den Begleitern des thronenden Yakushi, sich
in eine leichte seitliche Schwingung zu lösen beginnt, so gehörte diese andere
Haltung ebenso zu den typischen Attributen assistierender Bodhisattvagestalten,
wie sie ähnlich in vielen Steinreliefs der T’angzeit begegnen (73—74).
Hier aber, in der gewaltigen Trinität des Yakushiji, ist das große Meister-
werk der Epoche erhalten, das Werk, das allein erkennen läßt, welcher Leistung
die klassische Zeit östlicher Kunst fähig gewesen ist. Keine andere Buddha-
gestalt kann sich an hoheitvoller Würde mit dem Heilbringer des Yakushiji