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KOREA
KOREA
Ist die Kunst Koreas trotz mancher nicht erfolgloser Bemühungen der jüngsten
Zeit um die Erforschung der Kultur des Landes eine nahezu unbekannte
Größe, da noch an keiner Stelle der spezifische Charakter einer besonderen
Abart chinesischer Grundform kenntlich wurde, so ist ein umfangreiches
Denkmal wenigstens ans Licht getreten, das von der Kunst der T’angzeit
eine bessere und vollkommenere Vorstellung zu vermitteln vermag als die
meisten auf dem Boden Chinas selbst erhaltenen Skulpturen. Es ist eine mit
Steintafeln ausgelegte Tempelhöhle in Sök-kul-am (77—78), die als künst-
lerisches Dokument höchste Bedeutung besitzt, auch wenn sie weniger der
Erkenntnis eines koreanischen Stiles als vielmehr der allgemein ostasiatischen
Kunst der Zeit wichtiges Material zuführt.
Das unvergleichliche Liniengefühl der T’angzeit, von dem die spärlichen
Überreste der hochgefeierten Malerei nur mehr eine schwache Ahnung geben,
hat die Hand des Künstlers geführt, der die melodisch klingenden Kurven
in den Stein zeichnete, mit denen die Falten und hängenden Bänder des Ge-
wandes eine in Dreiviertelprofil gerückte Bodhisattvagestalt umspielen. Wie
die Malerei von dem einfachen Umrißstil der Fresken, deren edelstes Denkmal
in dem Wandschmuck der Kondöhalle des Höryüjitempels in Japan erhalten
ist, zu dem in reichen Farben prunkenden Flächenspiel der T’angzeit aufge-
stiegen war, so hatte die Skulptur von den in strenger Frontalität verharrenden
Heiligengestalten der Weizeit zu dieser liebenswürdigsten Schöpfung eines
koreanischen Meisters einen ähnlichen Weg durchmessen, und wenn dieser
Bodhisattva einem der prunkvoll zierlichen Heiligenbilder des Chang Ssü-kung
entsprungen scheint, so sind die hageren Greisengestalten der Lohan, die mit
den Bodhisattvas in gleicher Reihe die koreanische Tempelhöhle umwandern,
die leibhaftigen Brüder der berühmten Asketentypen des Malers Shan-yüeh.
Von dem Umfang und Typenschatz der Bildnerei der T’angzeit, den sie
mit Weltenhütern und Tempelwächtern bereichern, legen die Steinreliefs von
Sök-kul-am erwünschtes Zeugnis. Gehören sie nicht zu den Höchstleistungen
ihrer Epoche, so geben sie in ihrem untadeligen Erhaltungszustände doch
eine wertvolle Ergänzung des noch äußerst lückenhaften Materials an bisher
bekannt gewordenen Skulpturen der glänzendsten Epoche östlicher Kunst.
KOREA
KOREA
Ist die Kunst Koreas trotz mancher nicht erfolgloser Bemühungen der jüngsten
Zeit um die Erforschung der Kultur des Landes eine nahezu unbekannte
Größe, da noch an keiner Stelle der spezifische Charakter einer besonderen
Abart chinesischer Grundform kenntlich wurde, so ist ein umfangreiches
Denkmal wenigstens ans Licht getreten, das von der Kunst der T’angzeit
eine bessere und vollkommenere Vorstellung zu vermitteln vermag als die
meisten auf dem Boden Chinas selbst erhaltenen Skulpturen. Es ist eine mit
Steintafeln ausgelegte Tempelhöhle in Sök-kul-am (77—78), die als künst-
lerisches Dokument höchste Bedeutung besitzt, auch wenn sie weniger der
Erkenntnis eines koreanischen Stiles als vielmehr der allgemein ostasiatischen
Kunst der Zeit wichtiges Material zuführt.
Das unvergleichliche Liniengefühl der T’angzeit, von dem die spärlichen
Überreste der hochgefeierten Malerei nur mehr eine schwache Ahnung geben,
hat die Hand des Künstlers geführt, der die melodisch klingenden Kurven
in den Stein zeichnete, mit denen die Falten und hängenden Bänder des Ge-
wandes eine in Dreiviertelprofil gerückte Bodhisattvagestalt umspielen. Wie
die Malerei von dem einfachen Umrißstil der Fresken, deren edelstes Denkmal
in dem Wandschmuck der Kondöhalle des Höryüjitempels in Japan erhalten
ist, zu dem in reichen Farben prunkenden Flächenspiel der T’angzeit aufge-
stiegen war, so hatte die Skulptur von den in strenger Frontalität verharrenden
Heiligengestalten der Weizeit zu dieser liebenswürdigsten Schöpfung eines
koreanischen Meisters einen ähnlichen Weg durchmessen, und wenn dieser
Bodhisattva einem der prunkvoll zierlichen Heiligenbilder des Chang Ssü-kung
entsprungen scheint, so sind die hageren Greisengestalten der Lohan, die mit
den Bodhisattvas in gleicher Reihe die koreanische Tempelhöhle umwandern,
die leibhaftigen Brüder der berühmten Asketentypen des Malers Shan-yüeh.
Von dem Umfang und Typenschatz der Bildnerei der T’angzeit, den sie
mit Weltenhütern und Tempelwächtern bereichern, legen die Steinreliefs von
Sök-kul-am erwünschtes Zeugnis. Gehören sie nicht zu den Höchstleistungen
ihrer Epoche, so geben sie in ihrem untadeligen Erhaltungszustände doch
eine wertvolle Ergänzung des noch äußerst lückenhaften Materials an bisher
bekannt gewordenen Skulpturen der glänzendsten Epoche östlicher Kunst.