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Glaser, Curt; Cohn, William [Editor]
Die Kunst des Ostens (Band 11): Ostasiatische Plastik — Berlin: Bruno Cassirer Verlag, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.53084#0084
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DIE KUNST DER KAMAKURA-ZEIT IN JAPAN

neue Tuschmalerei. Der streng abweisende Typus der Himmelsbewohner, der
sich unter dem bestimmenden Einfluß der tantrischen Sekten gebildet hatte,
erfährt von neuem eine Vermenschlichung, anknüpfend an das dem Osten
natürlichere Schönheitsideal der frühen T’angzeit, das in den vollen Formen
des anmutigen Gesichtes wieder aufzuleben scheint. Niemals zuvor war eine
so zierlich bewegte Hand gebildet worden, niemals zuvor ein so kunstreich
aufgetürmter Kopfschmuck oder ein Gewand, das so frei vom Körper gelöst,
ein eigenes Leben zu führen scheint, indem es in schwungvollen Wellen sich
lagert, die in nichts mehr an die straff organisierten ornamentalen Faltenge-
schiebe früherer Epochen erinnern. Das Streben nach Natürlichkeit, das den
scheinbar mit der Sungzeit einsetzenden Stil, dessen Reichweite im übrigen
noch kaum zu bestimmen ist, charakterisiert, bekundet sich nicht zuletzt in
der Bildung der Felsenbank, die nicht unähnlich in den Sockeln der Lohan-
statuen und ebenso im Unterbau von Figuren der Kamakurazeit Japans wieder-
kehrt, deren Abhängigkeit von chinesischen Vorbildern allmählich deutlicher
erkennbar wird.
DIE KUNST DER KAMAKURA-ZEIT IN JAPAN
Man muß mit den tönernen Lohan-Statuen, die gewiß nicht die Höchst-
leistungen, vielmehr nur einen schwachen Abglanz der einstigen Herrlich-
keiten einer verschwundenen Großplastik der Sungzeit bedeuten, die Ideal-
porträts der sechs Patriarchen der Hossösekte (156—158) zusammenstellen,
die auf den Meister Kökei, einen Nachfahren Jöchös, zurückgeführt werden,
in dem Japan den Schöpfer der neuen plastischen Kunst der Kamakurazeit
verehrt. Ungleich höher steht die künstlerische Meisterschaft der Statuen,
die der Köfukuji verwahrt. Aber es ist die gleiche Art einer bisher ungekannt
freien Porträtauffassung in den Gesichtern, die lebendig bewegt mit indi-
viduellem Ausdruck unmittelbar zum Beschauer zu sprechen scheinen, es ist
die ebenso gleichsam zufällig im Augenblick beobachtete Lagerung der Glieder,
die im Gegensatz steht zu der typischen Haltung des Sitzbildes alter Zeit;
da ist einmal eine Gestalt hochgereckt im Knien, eine andere tief in sich ver-
sunken, ein Knie hochgestellt, das andere auf der Sitzfläche gelagert, die
Hände in momentaner Bewegung, gefaltet, halb sich schließend oder ein
 
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