VORWORT
Der Versuch einer zusammenhängenden Darstellung des Gesamtgebietes
ostasiatischer Plastik bedarf um seiner Kühnheit willen einiger Recht-
fertigung, ist es doch niemandem besser bewußt als dem Verfasser, wie lücken-
haft unsere Kenntnisse — wenigstens so weit China in Frage kommt —, noch
sind. Eine Geschichte chinesischer Plastik im engeren Sinne zu schreiben,
erschien allerdings ein hoffnungsloses Beginnen — nicht so sehr eine Geschichte
ostasiatischer Plastik, da das ausreichend bekannte japanische Material an
vielen Stellen ergänzend eintritt. Gewiß verstößt diese Anschauung gegen
eine neue Orthodoxie. Denn es ist heut Brauch, alles, was aus Japan stammt,
ein wenig verächtlich anzusehen, Chinesisches allein steht in Geltung. Es liegt
dieser modischen Einstellung die richtige Erkenntnis zugrunde, daß China
das eigentlich schöpferische Land des Ostens gewesen ist. Aber an der großen
Kunstblüte, die von dort ihren Ausgang nahm, hat Japan starken Anteil
genommen, und die in den Tempeln des Inselreiches besser erhaltenen Denk-
mäler der Großplastik der klassischen Epochen sind die wichtigsten Doku-
mente einer gemeinsam ostasiatischen Kunst, deren stilgeschichtlich zeitlichen
Ablauf zu bestimmen wesentlicher und aussichtsreicher schien, als örtlichen
Sonderbildungen nachzugehen, ja, der Verfasser gesteht, die Antwort auf die
Frage, ob der Schöpfer dieses oder jenes Werkes Chinese oder Japaner oder
Koreaner von Geburt und Abstammung gewesen sei, in vielen Fällen schuldig
bleiben zu müssen.
So viel zur Rechtfertigung des Themas und der Materialauswahl. Über
die Art der kunstwissenschaftlichen Behandlung hat der Verfasser seine An-
sichten in einem Aufsatz des „Jahrbuchs der asiatischen Kunst“ (1924) nieder-
gelegt, der den Titel trägt: „Aufgaben und Methode europäischer Forschung
im Bereiche östlicher Kunst.“ Auf ihn sei an dieser Stelle verwiesen und nur
so viel hinzugefügt, daß der Sinn der vorliegenden Arbeit weder völker-
kundlicher noch religionsgeschichtlicher Art ist, sondern daß es sich um eine
formengeschichtliche Untersuchung handelt. Nur so weit es zur Erklärung
Der Versuch einer zusammenhängenden Darstellung des Gesamtgebietes
ostasiatischer Plastik bedarf um seiner Kühnheit willen einiger Recht-
fertigung, ist es doch niemandem besser bewußt als dem Verfasser, wie lücken-
haft unsere Kenntnisse — wenigstens so weit China in Frage kommt —, noch
sind. Eine Geschichte chinesischer Plastik im engeren Sinne zu schreiben,
erschien allerdings ein hoffnungsloses Beginnen — nicht so sehr eine Geschichte
ostasiatischer Plastik, da das ausreichend bekannte japanische Material an
vielen Stellen ergänzend eintritt. Gewiß verstößt diese Anschauung gegen
eine neue Orthodoxie. Denn es ist heut Brauch, alles, was aus Japan stammt,
ein wenig verächtlich anzusehen, Chinesisches allein steht in Geltung. Es liegt
dieser modischen Einstellung die richtige Erkenntnis zugrunde, daß China
das eigentlich schöpferische Land des Ostens gewesen ist. Aber an der großen
Kunstblüte, die von dort ihren Ausgang nahm, hat Japan starken Anteil
genommen, und die in den Tempeln des Inselreiches besser erhaltenen Denk-
mäler der Großplastik der klassischen Epochen sind die wichtigsten Doku-
mente einer gemeinsam ostasiatischen Kunst, deren stilgeschichtlich zeitlichen
Ablauf zu bestimmen wesentlicher und aussichtsreicher schien, als örtlichen
Sonderbildungen nachzugehen, ja, der Verfasser gesteht, die Antwort auf die
Frage, ob der Schöpfer dieses oder jenes Werkes Chinese oder Japaner oder
Koreaner von Geburt und Abstammung gewesen sei, in vielen Fällen schuldig
bleiben zu müssen.
So viel zur Rechtfertigung des Themas und der Materialauswahl. Über
die Art der kunstwissenschaftlichen Behandlung hat der Verfasser seine An-
sichten in einem Aufsatz des „Jahrbuchs der asiatischen Kunst“ (1924) nieder-
gelegt, der den Titel trägt: „Aufgaben und Methode europäischer Forschung
im Bereiche östlicher Kunst.“ Auf ihn sei an dieser Stelle verwiesen und nur
so viel hinzugefügt, daß der Sinn der vorliegenden Arbeit weder völker-
kundlicher noch religionsgeschichtlicher Art ist, sondern daß es sich um eine
formengeschichtliche Untersuchung handelt. Nur so weit es zur Erklärung