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Glaser, Curt; Cohn, William [Editor]
Die Kunst des Ostens (Band 11): Ostasiatische Plastik — Berlin: Bruno Cassirer Verlag, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.53084#0073
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DIE KUNST DER FUJIWARA-ZEIT IN JAPAN

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Sicher aber muß, wenn Stilgegensätze innerhalb zeitlich einander nahe-
stehenden Gestaltformen mehr als früher offenbar werden, mit der Einwirkung
verschiedener Bedürfnisse gegensätzlich sich entwickelnder Kultformen in den
Tempeln verschiedener Sekten wie mit dem örtlichen Auseinanderstreben der
bislang in Nara vereinigten Andachtsstätten gerechnet werden. Man ist nicht
überrascht, in Köbö Daishis Köyatempeln der wüsten Dämonie vielgliedriger
Gestalten in den Fünfheiten der Godaison und Godairiki zu begegnen, die,
in mystische Formen gebannt, als geheimnisvolle Natursymbole, wie sie aus
dem Shivaismus in die tantrischen Sekten des Buddhismus übergegangen
waren, den alten, dem Brahmanismus entstammenden Wachtgottheiten zur
Seite treten. Der mächtige Fudö (134) ist der Herr dieser Welt, als Erscheinungs-
form des Bodhisattva Vajrapäni, der Schützer des Rechtes, der zornige Gott
strafender Weisheit, der in der Rechten das Schwert hält, um die Schuldigen
zu strafen, in der Linken den Strick, um die Bösen zu fesseln. Hinter ihm
züngelt die Flamme empor, die alles Unrecht verzehrt, in seiner drohenden
Gestalt, die das Symbol des neuen esoterischen Glaubens wird, hat sich alle
schreckende Gewalt früher heftig bewegter Kriegergottheiten gesammelt.
In der Bildung solcher neuer Typen göttlicher Macht verebbt das starke
Porträtbedürfnis dcrjälteren Zeit. Denn gleich den symmetrisch flach gelegten
Falten der Gewänder ordnen sich nun die Züge des Gesichts wieder zu einem
feierlichen Gleichmaß, das seine Wandlungsfähigkeit nur mehr in den ver-
schiedenen Darstellungsformen derTypen des reicher individualisierten Götter-
himmels erweist.

DIE KUNST DER FUJIWARA-ZEIT
IN JAPAN
Niemals zuvor, seit dem Einsetzen einer buddhistischen Kunst im Osten,
befindet sich die Stilgeschichte auf so schwankendem Boden wie ange-
sichts der spärlichen Denkmäler der späten T’angzeit, deren widerspruchsvolle
Aussage nur mit Vorsicht gedeutet werden darf. Aber wenn der Umriß einer
unseren Blicken nahezu entschwundenen Großplastik der Zeit doch wenigstens
aus in Japan erhaltenen Denkmälern des 9. Jahrhunderts erschlossen werden
 
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