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Glaser, Curt; Cohn, William [Editor]
Die Kunst des Ostens (Band 11): Ostasiatische Plastik — Berlin: Bruno Cassirer Verlag, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.53084#0044
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DIE T’ANG-ZEIT

Glanz und hoheitsvolle Milde einer wahrhaft göttlichen Erscheinung sich
vereinigen, legt Zeugnis von der nie wieder erreichten Meisterschaft einer
archaischen Kunst des Ostens, die in den Felsenskulpturen Chinas nur wie
in einem trüben Spiegelbilde sich offenbart.

DIE T’ANG-ZEIT
Mit dem Ende der Weizeit versank China in tiefe politische Wirren, aus
denen es erst Kaiser Kao-tsu wieder erlösen sollte, dem es gelang, das
zerfallene Reich neu zu einen. Die Dynastie der Sui, die er begründete, blieb
kaum drei Jahrzehnte an der Herrschaft. Die Geschichte sagt ihr nach, sie
sei an ihrer eigenen Prachtentfaltung zugrunde gegangen, soll doch der zweite
Kaiser der Sui nicht weniger als vierzig Paläste errichtet haben, an deren Bau
zwei Millionen Arbeiter beschäftigt waren. Es klingt wie Märchen, was von
den riesenhaften Parkanlagen berichtet wird, von den künstlichen Teichen mit
zierlichen Pavillons auf kleinen Inseln, und wenn vieles auch in der Tat
märchenhaft phantastische Übertreibung sein mag, so hat sich doch in der
Erinnerung des Volkes gewiß nicht ohne Grund die Vorstellung von einer
bislang unerhörten Entfaltung weltlicher Prunksucht erhalten, in deren Be-
friedigung alle Künste gewetteifert haben.
Die kurzlebige Suidynastie gilt in der chinesischen Geschichte als der Auf-
takt der dreihundertjährigen Herrschaft der T’angkaiser, die das neu geeinte
Reich von ihren Vorläufern übernahmen, um seine Grenzen bis weit an den
Hindukusch und das Kaspische Meer zu dehnen. Die Zeit der T’angkaiser,
zumal die erste Hälfte ihrer Herrschaftsdauer, war die Zeit höchsten Glanzes,
der größten politischen Machtentfaltung und kulturellen Blüte. Den Chinesen
gilt die T’angzeit als die klassische Epoche ihrer Kultur. Im 7. Jahrhundert
wurde der Grund gelegt für die spezifisch ostasiatische Formenbildung, die für
alle kommenden Zeiten ebenso vorbildlich und bindend sich erweisen sollte, wie
die Blüte des klassischen Griechenland für die Zukunft der europäischen Kunst.
Von all dem Glanze und der Pracht, die unter der Herrschaft der Sui-
und T’angkaiser in der Hauptstadt Ch’ang-an und dem weiten Reiche sich
entfalteten, ist kaum eine Spur bis auf unsere Tage erhalten geblieben. Mühsam
 
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