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DIE KUNST DER JOGAN-ZEIT IN JAPAN
Rückwendung eine lebendige Fortentwicklung der von der Tempyözeit über-
lieferten Bildaufgaben erkennbar wird. Es scheint sich in der Jöganzeit zuerst
eine eigene nationale Sonderbildung anzubahnen, wenn die in engem Anschluß
an die chinesischen Ko kuzö desTöji gebildete Fünfgöttergruppe desjingoji(131)
einer Abwandlung des Vorbildes ins Weiche und Milde gleichkommt. Sicht-
barer wirkt das runde Schönheitsideal des voraufgehenden Jahrhunderts der
Tempyözeit nach, und der archaisierende Geschmack, der mit der esoterischen
Lehre zur Herrschaft gelangte, wird allein zunächst erkennbar in der all-
gemeinen Haltung, den typischen Gesten und der Vorliebe für eine Reihe
bisher unbekannter Gottheiten des von altindischen Vorstellungen erfüllten
buddhistischen Pantheons. Aber selbst das ureigenste Erzeugnis der indischen
Glaubenswelt, jene vielarmigen Wesen, deren wuchernde Glieder die zahl-
reichen Kräfte der Gottheit sehr leibhaft symbolisieren, ist nirgendwo anmutiger
und menschlicher zugleich realisiert worden als auf japanischem Boden in
einem Meisterwerke der Jöganzeit, der sechsarmigen Kwannon des Kwan-
shinji (132—133).
Charakteristisch für die Zeit ist das Aufkommen der komplizierten Um-
formungen jener Gottheit, in der das alte Japan die Allmacht der Gnade verehrt
hatte. Fukükensaku-Kwannon, die vielarmige (94), ist der Tendaisekte heilig.
Jüichimen-Kwannon, die elfköpfige (138—141), wird in vielen Darstellungen
abgewandelt, es ist der Gott, der nach allen Seiten zu schauen vermag, um
alle Wesen zu erlösen.
Aus China stammt das Urbild der nicht seltenen Nachbildungen einer
Statue der elfköpfigen Kwannon (125), die in ihrer hieratischen Strenge
und dem reichen Schmuck von Juwelenketten und Gehängen, wie sie die eigene
Tracht der Chinesen niemals gekannt hat, ebenso charakteristisch ist für den
archaisierenden Stil der Zeit wie für seine indische Herkunft. Und wiederum
mildert sich die Starre in den japanischen Nachformungen bis zu dem anderen
Ideal, das in der wundervollen Statue des Hokkeji (138—141) sich erfüllt. In
dieser Jüichimen-Kwannon, die das Hauptstück einer kleinen Gruppe höchst
ausdrucksvoll eigenartiger Kultbilder darstellt, scheint die reife Kunst der
Tempyözeit ihren letzten Ausklang zu finden, da an die Stelle der materiellen
Schmuckformen eines archaisierenden Ornamentes die reiche Bewegung frei
sich ordnender Teile des Gewandes tritt, die den Körper in einem anmutvollen
Spiele umrankt.
DIE KUNST DER JOGAN-ZEIT IN JAPAN
Rückwendung eine lebendige Fortentwicklung der von der Tempyözeit über-
lieferten Bildaufgaben erkennbar wird. Es scheint sich in der Jöganzeit zuerst
eine eigene nationale Sonderbildung anzubahnen, wenn die in engem Anschluß
an die chinesischen Ko kuzö desTöji gebildete Fünfgöttergruppe desjingoji(131)
einer Abwandlung des Vorbildes ins Weiche und Milde gleichkommt. Sicht-
barer wirkt das runde Schönheitsideal des voraufgehenden Jahrhunderts der
Tempyözeit nach, und der archaisierende Geschmack, der mit der esoterischen
Lehre zur Herrschaft gelangte, wird allein zunächst erkennbar in der all-
gemeinen Haltung, den typischen Gesten und der Vorliebe für eine Reihe
bisher unbekannter Gottheiten des von altindischen Vorstellungen erfüllten
buddhistischen Pantheons. Aber selbst das ureigenste Erzeugnis der indischen
Glaubenswelt, jene vielarmigen Wesen, deren wuchernde Glieder die zahl-
reichen Kräfte der Gottheit sehr leibhaft symbolisieren, ist nirgendwo anmutiger
und menschlicher zugleich realisiert worden als auf japanischem Boden in
einem Meisterwerke der Jöganzeit, der sechsarmigen Kwannon des Kwan-
shinji (132—133).
Charakteristisch für die Zeit ist das Aufkommen der komplizierten Um-
formungen jener Gottheit, in der das alte Japan die Allmacht der Gnade verehrt
hatte. Fukükensaku-Kwannon, die vielarmige (94), ist der Tendaisekte heilig.
Jüichimen-Kwannon, die elfköpfige (138—141), wird in vielen Darstellungen
abgewandelt, es ist der Gott, der nach allen Seiten zu schauen vermag, um
alle Wesen zu erlösen.
Aus China stammt das Urbild der nicht seltenen Nachbildungen einer
Statue der elfköpfigen Kwannon (125), die in ihrer hieratischen Strenge
und dem reichen Schmuck von Juwelenketten und Gehängen, wie sie die eigene
Tracht der Chinesen niemals gekannt hat, ebenso charakteristisch ist für den
archaisierenden Stil der Zeit wie für seine indische Herkunft. Und wiederum
mildert sich die Starre in den japanischen Nachformungen bis zu dem anderen
Ideal, das in der wundervollen Statue des Hokkeji (138—141) sich erfüllt. In
dieser Jüichimen-Kwannon, die das Hauptstück einer kleinen Gruppe höchst
ausdrucksvoll eigenartiger Kultbilder darstellt, scheint die reife Kunst der
Tempyözeit ihren letzten Ausklang zu finden, da an die Stelle der materiellen
Schmuckformen eines archaisierenden Ornamentes die reiche Bewegung frei
sich ordnender Teile des Gewandes tritt, die den Körper in einem anmutvollen
Spiele umrankt.