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Dieser andeutende Hinweis besagt schon mit gewisser Deutlichkeit,
wie durchaus praktisch Schillers ästhetische Träume waren.
Was nun der Dichter-Philosoph unter der erstrebenswerten Schön-
heit verstand, was die bedeutendsten Denker vor ihm und nach
ihm darüber in ihren ästhetischen Bekenntnissen niederlegten, wie
diese Gedankenwege nebeneinander, sich ausweichend, oder kreu-
zend verlaufen; ziehe auf einem abwechslungreichen, historischen
Spaziergang an uns vorüber, von dem keiner ganz unbelehrt oder
unbefriedigt zurückkehren möge.
II
Zwischen den beiden Gruppen jener, die erforschen, woraus der
Mensch gemacht ist, und jener, die ergründen, was er selbst aus
sich machen soll, gibt es zahlreiche Übergänge.
Mancher Philosoph will den Drang nach Schöpfertätigkeit nicht
anerkennen oder sogar als bösen Drang bekämpfen. Die Ver-
neinung der Lebensfreude als Antrieb zum Schaffen hält er für
Pflicht. Man soll den Schöpferdrang verachten, weil das einzig
Erstrebenswerte gar nicht in unserem Leben sondern in einer fernen,
zukünftigen Welt liegt. Allein die Schönheit läßt sich nicht spotten,
die Schöpferkraft bricht siegreich hervor, selbst in den Jüngern
dieser ihr grundsätzlich feindlichen Weltanschauung. Auch schmerz-
liches Abwenden vom Zeitlichen und Sehnsucht nach dem Jenseits
erwecken eine Sehnsucht nach Ausdruck, und ihr Vorhandensein
wird wieder Schönheit.
Religionen, die hohe Schönheitswerte erzeugt haben, gehören
hierher.
Religion könnte man Philosophie mit äußerem Kult verbunden
nennen, Philosophie dagegen eine Religion ohne äußeren Kult.
Wer in diesem Sinn die Systeme der Weltanschauung bei großen
Religionen und philosophischen Schulen überblickt, glaubt zunächst
eine unendliche Menge von Kreisen zu sehen, die sich gegenseitig
schneiden, so daß sich überall scharfe Segmente bilden. Diese
Gedankenkreise ordnen sich jedoch in einen großen Kreis, dessen
bedeutendste innere Ringe ungefähr so gedeutet werden können.
1. Der Mensch der Natur ergeben und blind unterworfen. Er soll
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