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Aber was Flügel gewinnt, muß ebenso notwendig den Flug erheben,
durch die Schönheit befreit und von ihr in höchste Höhen gelockt
wie Dantes angelica farfalla, der engelische Schmetterling.
Die schon in der griechischen Philosophie beliebten Gleichnisse
gewinnen besondere Wichtigkeit in der christlich-mystischen Kunst
aus einem ganz besonderen Anlaß.
Ihre Anmut liegt nicht zum kleinsten Teil in dem Wunsch, die
stürmisch hervorbrechende Schönheitssehnsucht durch mehr oder
weniger subtile Allegorie vor den Augen des himmlischen Königs
hoffähig zu machen.
Dante faßte diese Philosophie der alten Kirchenportale und Glas-
fenster in dem Werk de vulgari eloquentia zusammen und begründete
ihre Berechtigung trotz seiner Strenge den Verführungen der Welt
gegenüber. In der vita nuova schrieb er: Der Dichter muß im
Kopf das weise Urteilen haben, dasselbe schön bekleidet mit Bild
und rednerischer Zier. (II poeta deve aver in capo un ragionamento,
nel veste di figura o di color rettorico.)
Freilich, der großen Menge, die den eigentlichen Sinn der Allegorie
nicht versteht, soll ihre äußere Schönheit genügen, darum sagt
der Dichter:
Ponete mente almeno come son bella. (Lenkt wenigstens den Sinn
darauf, wie schön ich bin.)
Ein spanischer Denker, der Marques de Santillana erklärt in seinem
1445 erschienenen Werk die Schönheit und Poesie ähnlich wie
Dante als köstliche Hülle*.)
Als Schmuckhülle, als bella vesta nach Dante, oder fermosa cober-
tura nach Santillana wurde bis zur Renaissance die Kunstschönheit
grundsätzlich angesehen.
Sie galt für eine angenehme Falschheit — falsitä piacevole — und
konnte nur durch ihre Dienstbarkeit den höheren Dingen gegenüber
geheiligt werden. In demselben Sinn etwa erfuhr die Liebe Heiligung
durch die Ehe, der sinnliche Trieb Rechtfertigung durch den himm-
lischen Segen.
*) Un fiugimiento de cosas utiles, cubiertas b velados con muy fermosa
cobertura.
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