Deutschlands Kunstschatzt. 35
sich durchaus nicht rücksichtsvoll benommen hatte, nicht in unabsehbares Unglück zu stürzen ...
Mignard verließ sich auf Lully, der eben so verschlagen und erfinderisch, als energisch war — bis
der Morgen alle diese Entwürfe als zwecklose vernichtete.
Ein königlicher Page mit seinem Walde von Federn auf dem Barret erschien unter dem Ge-
leite des größten Theiles der Kinder der Tisseranderie vor Mignard's Hause, besah dasselbe mit
einer staunenden Neugierde und ließ sich durch Christophorus dem Meister vorstellen. Der junge
Edeling brachte ein Schreiben des Hofmarschalls, des Inhalts, daß „das von dem Könige befohlene
Bildniß" sofort wohl verpackt in den Tuilerien abgeliesert werden solle.
Mignard, ganz zerschmettert, fast sinnlos, versprach, sogleich „mit dem Gemälde" zu kommen
und siel fast in Ohnmacht, als der Page sich entfernt hatte.
Hier war gar nichts zu thun, als daß Mignard dem Marschall des Palastes offen sagte, wie
die Angelegenheit stand. Er war ein unschuldiges Opfer eines Frevlers, der nunmehr versuchen
mußte, wie weit ihn sein Enthusiasmus für Maria Mancini zu schützen im Stande sei.
Der Hofmarschall, der alte Gras Montbarreh, betrachtete den Streich, welchen der Dieb dem
zitternden Maler gespielt hatte, zunächst von der heitern Seite. Er lachte unbändig, als Mignard
erzählte, wie vollkommen er sich dem Strolche gegenüber als Lamm benommen habe.
„Da ist weiter nichts zu machen", sagte der Haudegen, „als daß Ihr so schnell wie möglich ein
anderes Bild herstellt..."
„O, wie gern!" rief Mignard.
„Warten ist nicht thunlich; denn seine Majestät schien etwas ungeduldig geworden zu sein. .."
Die Herrschaften des kleinen Levers kamen aus den inneren Gemächern in den als Anti-
chambre dienenden grünen Saal und mancher der Hochgebornen hatte für den Maler einen ver-
bindlichen Gruß, auch wohl einen Händedruck.
Der dienstthueude Kammerher, welcher den Maler angemeldet hatte, flüsterte dem Marschall
einige Worte in's Ohr, die dem Grafen einen unterdrückten Fluch entlockten.
Mignard näherte sich dem Würdenträger.
„Mein Herr", sagte Graf du Montbarreh sehr schroff, „der Berlust des Bildes ist von Seiner
Majestät sehr ungnädig ausgenommen worden. Sie werden sich zu verantworten Haben .. ."
Mignard wußte nicht, wie er eigentlich in das Leverzimmer gekommen sei, wo sich außer
dem Monarchen nur noch der Graf St. Paul, der Oberst der Mousquetaires, Graf Laroche und
der venetianische Gesandte Contmarini sich befanden.
Der König war in großer Bewegung. Er erschien für einen Ritt in den Wald gekleidet, mit
kleinem Hut, den grüne und weiße Federn schmückten; mit grünem goldgestickten Rock, scharlachner
Weste, weißen Beinkleidern und hohen Stiefeln und mit dem Jagdmesfer an der Seite. Der Mo-
narch war in der Blüthe des reifern Jünglingsalters — eine zierliche, federkräftige Gestalt mit
majestätischem Blick und auffallend schön geformten Gesicht, dessen Züge die ausdrucksvollste Be-
weglichkeit besaßen.
Gras St. Paul war ein schöner Soldat mit kurzem krausem Schnurrbart und blonden Locken,
die an seine berühmte Mutter, Anua Genevieve de Longueville erinnerten. Laroche war kaum
zwanzig Jahre alt, ein Riese mit der Taille eines Hoffräuleins und der erklärte Liebling des
Königs, bis Laroche selbst dieser Gunst ein Ziel setzte, indeß er in einer Liebesintrigue seinem
5*
sich durchaus nicht rücksichtsvoll benommen hatte, nicht in unabsehbares Unglück zu stürzen ...
Mignard verließ sich auf Lully, der eben so verschlagen und erfinderisch, als energisch war — bis
der Morgen alle diese Entwürfe als zwecklose vernichtete.
Ein königlicher Page mit seinem Walde von Federn auf dem Barret erschien unter dem Ge-
leite des größten Theiles der Kinder der Tisseranderie vor Mignard's Hause, besah dasselbe mit
einer staunenden Neugierde und ließ sich durch Christophorus dem Meister vorstellen. Der junge
Edeling brachte ein Schreiben des Hofmarschalls, des Inhalts, daß „das von dem Könige befohlene
Bildniß" sofort wohl verpackt in den Tuilerien abgeliesert werden solle.
Mignard, ganz zerschmettert, fast sinnlos, versprach, sogleich „mit dem Gemälde" zu kommen
und siel fast in Ohnmacht, als der Page sich entfernt hatte.
Hier war gar nichts zu thun, als daß Mignard dem Marschall des Palastes offen sagte, wie
die Angelegenheit stand. Er war ein unschuldiges Opfer eines Frevlers, der nunmehr versuchen
mußte, wie weit ihn sein Enthusiasmus für Maria Mancini zu schützen im Stande sei.
Der Hofmarschall, der alte Gras Montbarreh, betrachtete den Streich, welchen der Dieb dem
zitternden Maler gespielt hatte, zunächst von der heitern Seite. Er lachte unbändig, als Mignard
erzählte, wie vollkommen er sich dem Strolche gegenüber als Lamm benommen habe.
„Da ist weiter nichts zu machen", sagte der Haudegen, „als daß Ihr so schnell wie möglich ein
anderes Bild herstellt..."
„O, wie gern!" rief Mignard.
„Warten ist nicht thunlich; denn seine Majestät schien etwas ungeduldig geworden zu sein. .."
Die Herrschaften des kleinen Levers kamen aus den inneren Gemächern in den als Anti-
chambre dienenden grünen Saal und mancher der Hochgebornen hatte für den Maler einen ver-
bindlichen Gruß, auch wohl einen Händedruck.
Der dienstthueude Kammerher, welcher den Maler angemeldet hatte, flüsterte dem Marschall
einige Worte in's Ohr, die dem Grafen einen unterdrückten Fluch entlockten.
Mignard näherte sich dem Würdenträger.
„Mein Herr", sagte Graf du Montbarreh sehr schroff, „der Berlust des Bildes ist von Seiner
Majestät sehr ungnädig ausgenommen worden. Sie werden sich zu verantworten Haben .. ."
Mignard wußte nicht, wie er eigentlich in das Leverzimmer gekommen sei, wo sich außer
dem Monarchen nur noch der Graf St. Paul, der Oberst der Mousquetaires, Graf Laroche und
der venetianische Gesandte Contmarini sich befanden.
Der König war in großer Bewegung. Er erschien für einen Ritt in den Wald gekleidet, mit
kleinem Hut, den grüne und weiße Federn schmückten; mit grünem goldgestickten Rock, scharlachner
Weste, weißen Beinkleidern und hohen Stiefeln und mit dem Jagdmesfer an der Seite. Der Mo-
narch war in der Blüthe des reifern Jünglingsalters — eine zierliche, federkräftige Gestalt mit
majestätischem Blick und auffallend schön geformten Gesicht, dessen Züge die ausdrucksvollste Be-
weglichkeit besaßen.
Gras St. Paul war ein schöner Soldat mit kurzem krausem Schnurrbart und blonden Locken,
die an seine berühmte Mutter, Anua Genevieve de Longueville erinnerten. Laroche war kaum
zwanzig Jahre alt, ein Riese mit der Taille eines Hoffräuleins und der erklärte Liebling des
Königs, bis Laroche selbst dieser Gunst ein Ziel setzte, indeß er in einer Liebesintrigue seinem
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