Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0110
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
68 Deutschlands Kunstschätze.
Freunde von Salamanca", ob Franz von Schober's „Alfonso und Estrella" oder'ob Joseph Kupel-
wieser's Mißgeburt „Fierrabras" den Preis des Unsinns verdiene. Es sind jetzt ziemlich zehn
Jahre, seit Du mein Singspiel, das dort in Deinem dreibeinigen Pult, einer Art von Manuscript-
gatgen, ruht, compouirtest, Du armer, guter Schwammerl! Damals hieltest Du mich für eiuen
großen Dichter und ich selbst machte es nicht besser; während ich heute gebeugt zugestehe, daß Du
selbst Dir ein viel vernünftigeres Libretto geschrieben haben würdest, als ich geliefert habe."
„O, Waldl, verleumde Dich selbst nicht!" rief Schubert. „Deiue Oper hat eine Menge von
Schönheiten."
„Schönheiten sind ein erbärmlicher Ersatz für die Schönheit", bemerkte Mayrhofer mit
trockenem, ironischen Lachen. „Also heraus mit Deiuem Stoff ans dem Leben, der sich, wie ich hoffe,
auf eine Moralpredigt von Seiten Deiner Olea da unten rednciren wird."
„Die Olea spielte allerdings mit", meinte Schubert. „Aber ich bitte Euch, Das, was ich zu
sageu habe, erträgt durchaus Eure Schraubereien nicht. Ich versichere Euch, daß ich seit lauge mich
nicht in einer feierlichern Stimmung befunden habe, als in dem Augenblick, wie Ihr hier einbrachet,
um den ganzen Zanber, welcher mich umfiug, mit gewaltsamem Griff zu zerstören!"
„Nun, Schwind, da sind wir beiden elenden Kerle gerade recht gekommen, um wieder eiumal
ein Stück Unsterblichkeit zu veruichten", brummte Mayrhofer zwischen den Zähnen. „Was ich
schreibe, taugt nichts. Anstatt daß es mir gelingen sollte, meine Ideen im Pers zu verdichten, stre-
ben sie alle, sich so breit zu macheu wie möglich, strecken die Arme und Beine von sich und lösen sich
endlich in irgend ein widerwärtiges Gas auf, wie die Geister, die iu „Tausend und Einer Nacht"
ans den bezauberten Flaschen hervorsteigen ... Was Dich betrifft, Schwindl, so scheint Dein aller-
größtes Talent das zu sein, mit Worten Bilder zu entwerfeu. Und so bist Du, ein Maler, ganz
auf das geistlose, schilderude Moment verfallen, dem die lyrische Dynamik ganz abhanden gekom-
men ist. Deine „Hochzeit des Figaro" mit den vielen charakteristischen Aeußerlichkeiten besitzt keine
Batterie elektrischer Seelenkraft ... Franz hier hat in seiner Knnst Alles, was uns fehlt. Ich
kann mich nicht als Dichter, Dn kannst Dich nicht als Maler anschauen, wenn wir unsere eigenen
Werke vor Augen haben; aber ich bin ein Dichter und Du bist ein Maler, wenn Schubert's Musik
uns unsere eigene Innerlichkeit aufschließt, zu welcher wir vergebeus den Schlüssel suchen... Schu-
bert's Psyche besitzt Flügel uud schafft Unsterbliches, und unsere Psychen kommen angepoltert und
wollen dies Unsterbliche nicht aufkommen lassen!"
„Der Waldl ist Hente Abend unausstehlich großartig!" sagte Moritz Schwind sehr gemüthlich.
„Ich möchte wohl wissen, Schwammerl, wie er darauf geräth, Dich in eineNi Athem so unmenschlich
hoch und so wnrmhaft niedrig zu tapiren! Siukt bei Dir irgend eine musikalische Idee in die
Tiefe des Unbewußten zurück, so erscheint sie sicher wieder in verklärterer Art und in reicherer
instrumentaler Gliederung, als zum ersten Mal! So war's mit Craigher's „Junger Nonne" und
mit der Harfensonate. So wenig eine Biene, die unterwegs gestört worden ist, vergißt, wie sie ihre
Zellen zu bauen hat, ebensowenig ist beim Franz ein musikalischer Gedanke vergessen!"
„Mein Gott, Brüder, streitet doch nicht um die Vögel aus nugelegten Eiern!" sagte Schubert
und setzte sich zum Piano. „Hier ist aber noch gar keine Vorschwebung einer musikalischen Idee!
Nnr ein Stofs liegt vor, aber der ist so weit wie der Himmel! Es gilt, das Nadelöhr anfzufinden,
 
Annotationen