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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0111
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Deutschlands Aunstschatze. 69
in welchem sich die Stadien einer mir noch ganz unfaßbaren Peripherie vereinigen und dazu könnt
Ihr sehr wohl Helsen, Freunde . .. Hier waren eben zwei Damen . .."
„Was?" rief Moritz fehr lebhaft.
„Vornehme Damen . . ."
„Gewiß !"
„Die Efzterhazh's?"
„O nein — die Zeiten von Telesz sind vorüber", antwortete Schubert. „Ihr werdet den
Namen nicht erfahren; aber es kann Euch genügen, daß die eine Dame — - die andere war die
Mutter derselben — mir die voll und tief empfundene Anschauung von Dem gegeben hat, was
ich in traumhafter Unbestimmtheit als das Bild der heiligsten Jungfrau Maria erblickt habe!"
„Nun, Franz, da Du einmal zur Veränderung Deine gregorianisch katholische Periode haben
wirst, so dürfen wir uns auf eine neue Messe gefaßt machen", sagte der Dichter ironisch.
„Nein, ich schreibe keine Messe mehr", antwortete Schubert sehr ernst. „Ich hab's versucht,
aber ich thu's nicht wieder."
„Jst's keine Messe, so wird's ein 8ulv6 Kosina!" fuhr Mayrhofer in seinem kaustischen
Tone fort.
„Ach, Waldl, dies war nicht die Himmelskönigin, welche vorhin da in Deiner Ecke lehnte, ob-
wohl die UeAinn eoeli schwerlich schöner gedacht werden kann. Ja, wenn Moritz hier gewesen
wäre! Ich habe das Mädchen, glaub' ich jetzt erst, immerfort starr angesehen; aber ich versteh' mich
nicht anf's Sehen ... Es ist, als wenn das Bild meine Augen passirte, um in meine Empfindung
sich zu versenken, und als wenn damit die Erinnerung der Augen an das Bild verwischt und aus-
gelöscht wäre . . ."
„Spiele uns vor, wie die irdische Madonna aussah; das ist das Sicherste, um klar zu be-
schreiben", meinte Schwind.
Schubert griff mitten hinein in den über den Wiesen und dem fernen Saum des Waldes
ausgebreiteten Maientag der Pastoralsymphonie Beethoven's und dann ging er über zu seinen
eigenen Tinten, die holdselige Süßigkeit, rührende Kindlichkeit und sehnsüchtig schwellendes Ver-
langen malten.
„Das ist sie", murmelte Mayrhofer, den Kopf fenkend. „Wunderbar!"
Franz brach ab und schwenkte sich auf dem Clavierbocke seitwärts.
„Die Dame hat einen Vater", sagte er ohne weitere Einleitung, „welcher einem italienischen,
vampyrhaften Wüstling diese frische Waldesblume zum Opfer zu bringen entschlossen ist. Es hau
delt sich darum, eiue Sprache zu finden, welche im Stande ist, das Herz des verblendeten Vaters
zu erreichen ... Es gilt, von dem Haupt Derjenigen, welche Mayrhofer eben eine irdische Ma-
donna genannt hat, das drohende Verderben abzuwenden ... Da habt Ihr den Stofs, von welchem
ich vorhin gesprochen habe!"
„Waldl muß ein Gedicht schreiben und daun findest Du auch die Musik, von der ich überzeugt
bin, daß sie unwidecstehlich sein wird", sagte Moritz Schwind.
„Schwindl könnte eine Nonne malen, die sich in die Donau stürzt, um begreiflich zu machen,
 
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