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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0262
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Correggio.

Altarbildes ist ausgegeben, in sonniger Landschaft, unter einem rothen Zelt, das über die Bäume
gespannt ist, sitzt die Madonna, von den Heiligen umringt. Die mächtige Gestalt des heiligen
Hieronymus ihr gegenüber ist etwas ungeschickt in der Haltung, Maria, das reizend bewegte Kind
und die Engel gehen in Zügen und Ausdrücken nicht über das Gewöhnliche hinaus. Die Art, wie
einer der Engel Magdalena's Salbgefäß emporhebt, als wolle er daran riechen, ist kein edles
Motiv. Aber wie bezaubernd ist die heilige Magdalena selbst! Allerdings, wie sie da hingegossen
liegt, das Gesicht an den Körper des Knaben geschmiegt, so lehnt sich eher ein üppiges Weib an
die Brust des Geliebten, aber so kniet keine Heilige vor dem Erlöser der Welt. Jndeß im Anblick
des Bildes kann man an andere Rücksichten nicht denken, man kann nur rein der Seligkeit sich
hingeben, die dem Ganzen entströmt. Von dem blonden Haar Magdalena's, in welchem die Finger
des göttlichen Kindes spielen, gleitet das Auge zu ihren unvergleichlich gemalten nackten Füßen
herab Mit der Zartheit der Fleischtöne stehen die glänzenden Stoffe und die prangende Heiterkeit
der Scenerie in Einklang. Von diesem Bilde sagte Vasari: „Kein noch so melancholisches Gemüth
kann es schauen ohne von Freude erfüllt zu seiu." Man hat es oft „Den Tag" genannt, im
Gegensatz zu der „Nacht" in der Dresdener Galerie.
Dieses ist das Werk, an welches das deutsche Publicum zuerst denkt, wenn es den Namen
Correggio hört. Die „Heilige Nacht" wurde im Jahre 1522 für die Kirche S. Prospero zu
Reggio um 280 Lire (etwa 140 Thaler) bestellt, aber erst Ende der zwanziger Jahre vollendet.
Der Gedanke, in dunkler Nacht den Körper des Christuskindes selbst leuchten zu lasseu, ist keine
persönliche Erfindung Correggio's. Veranlaßt durch die Schilderung von Christi Geburt in dem
apokryphen Evangelium von der Kindheit Christi: „Und siehe, erfüllt war die Höhle von einem
Licht, das den Glanz von Fackeln und Kerzen übertraf und größer war denn Sonnenlicht", Hatten
dies bereits niederländische Meister, dann Hans Baldung Grien am Hochaltar des Freiburger
Müusters, dann Holbein auf einem Bilde ebenda versucht. Correggio allein aber gebietet über die
Mittel, um das mit allen Consequenzen durchzuführen. Das Leuchten ist so zauberhaft, als gehörte
es einer Welt des Wunders an. Vom Körper des Kindes reflectirt es auf den feligen Gesicht der
Mutter, die nahenden Hirten werden von dem Schein geblendet, und wenn auch diese alle in den
Charakteren gewöhnlich sind, so verargen wir auch das dem Maler nicht. Bei dem Vorherrschen
dieses rein sinnlichen Lichtmotivs, das dennoch übersinnlich wirkt, hätte er kein tieferes geistiges
Leben in den Köpfen brauchen können.
Zu den späteren kirchlichen Werken gehören zwei Madonnen in Dresden, die des „Hei-
ligen Sebastian" und die mit dem „Heiligen Georg", jene 1525 für eine Kapelle im Dom zu
Mantua, diese wohl erst nach 1530 für die Brüderschaft San Pietro Martire in derselben
Stadt gemalt. Sie verhalten sich zu den bisher geschilderten Gemälden etwa so wie die Domkuppel
zu den Fresken von San Giovanni. Die Fülle seiner künstlerischen Macht offenbart Correggio
hier glänzender als je, aber sie überfluthet bereits alle Schranken. So schön auf dem ersten Bilde
der heilige Gimignanius ist, dessen von der Seite gesehene Figur meisterhaft in die Tiefe des
Bildes zurücktritt, so sehr uns die Anmuth des kleinen Mädchens, das zu seinen Füßen mit dem
Kirchenmodell kauert, entzückt, so geht doch die Ekstase des träumenden Rochus und des ungestüm
aufblickenden Sebastian bis in das Theatralische und Süßliche. Auf dem zweiten Bilde bezaubern
uns die nackten Engelknaben, die mit den Waffen des heiligen Georg spielen, aber die Formen sind
 
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