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— 141. —
christlichen Poesie selber eine zweifache Richtung geben, wo-
von die eine die historisch-christliche, die andere die
mythisch-christliche Poesie des Mittelalters begründete.
Der Richtung der ersten folgte Ottfried in seinem Christ ,

Heliand, das Wessobrunner Gebet, Rappert in seinem
Liede vom heil. Gall, das Lied vom heil. Ano u. a.

Mythisch-christ liche Poesie.

Wie in der alten Zeit Ofenbarung und Mythologie gleich
dem Wachen und Träumen im Leben der Völker wechselseitig
auf einander ein- und überwirkten , so hat auch der mythische
Sinn des Volksgemüthes das objektive historische Christenthum
in sich eigens ausgebildet , und daraus gieng jene poetische
Apokryphe gegenüber dem wahren Evangelium hervor, deren
Personen und Bilder jenen dreizehn Schälken a) gleichen , die
weit umherziehend durch alle Länder sich für Christus und die
Zwölflbothen den Kindern und Leichtgläubigen ausgegeben.

Das Christenthum traf bei. den Germanen nicht auf ein
Volk , dessen mythologischer Prozefs schon zu Ende war, wie
bei den Römern und Griechen; der Donar, Wuotan und im
hohen Norden Othin lebten noch frisch in der Volkserinnerung,
und das alte Prinzip konnte , wie J. Grimm in seiner Mytho-
logie richtig bemerkt , nur unterworfen werden, wenn für sein
einstweiliges Bestehen neue Formen in dem neuen Glauben -
aufgefunden wurden , theils um die alten Ideale auf diese For-
men zu übertragen , theils um aus den neuen Formen ein neues
Reich für die Sage und Mythe zu gestalten. Diese zweifache
Richtung des Bewufstseins , die alten Göttersagenin den Formen
des neuen Glaubens zu erretten und diese letztern hinwiederum
auf eigenthämliche (mythische) Weise auszubilden, hat die my-
thische Anschauung des Christenthums in allen seinen Bereichen
hervorgerufen, und auf ihr beruht die mythisch - christliche
Epopee des Mittelalters. — Π

Die mythische Kirche im heiligen Graal.

Der Kern und Mittelpunkt dieser christlichen Mythologie

. a) Siehe H. Sachs IL 499.
 
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