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übergreift. Den Gedankengang leiten die Wangenbüsten ein.
Ihre introduktive Bedeutung wird schon äußerlich durch die
Anbringung symbolisiert. Je 8 auf einer Abteilung bewachen
sie gleichsam die Zugänge, deren jedesmal 2 seitlich und 3
von vorne zu den hinteren Sitzen führen. Die am Levitenstuhl
begonnene Galerie der Sibyllen setzt sich auf der südlich ge-
legenen Frauenseite fort. Ihnen gegenüber prangen heidnische
Dichter und Gelehrte L
Die 4 äußeren Bildnisse vermitteln den Zusammenhang
der verschiedenen Seiten, von den mittleren sind stets zwei,
innerhalb der einzelnen Reihe, einander zugekehrt. Dieser
äußerlichen Inbeziehungsetzung läuft inhaltliche Trennung, der
körperlichen Nähe seelischer Abstand diametral. Und eine
eigene Seele redet aus jeder dieser Halbfiguren.
Ein einfaches Gemüt spricht aus dem eirunden Gesicht der
Frau, die als Sibylle von Erythrä2 bezeichnet ist. Hinter der
niedrigen Stirn wohnen keine tiefen Gedanken. Aber die
fleischigen Partien um Augen, Nase und Mund verraten Gut-
mütigkeit. Der schmale Nasenrücken, die geschweiften Lippen
und das ausgeprägte Kinn bringen Leben in die an sich leeren
Züge. Schlichte pelzverbrämte Gewandung läßt den runden Hals
frei. Infolge der Bewegung der schlanken Hände spannen Brust-
und Schlüsselbein die geschmeidige Haut. Anliegende Oberarme
pressen die Brust zusammen und geben dem Weibe, das
zwischen 30 und 40 Jahren zählen durfte, ein etwas schmäch-
tiges und zaghaftes Aussehen. Sie deutet mit der Linken in
der Richtung der Sitze3 und schaut nach der Männerseite.
Der Mann dort drüben imponiert durch energische Haltung.
Kühn wirft er den ausdrucksvollen Kopf zurück. Selbstbewußt-
sein ist in den Mienen des etwa 45-jährigen zu lesen. Der
Eindruck starken Wollens wird erhöht durch harte Linien auf
der breiten Stirn und um den scharfgeschnittenen Mund, mit
1 Zu dieser Zusammenstellung s. desgl. Piper I, y, S. 490 ff.
2 Ebenso wie die eine Sibylle am Dreisitz s. o.
3 Nicht wie Pressel (s. Festschrift, S. 78) annimmt auf die an der
Mauer angebrachte große Holztafel mit Augustins Gerichtsschilderung (De
civitate Dei lib. XVIII), die sich übrigens auf das Gemälde des jüngsten
Gerichts über dem Triumphbogen bezieht.
übergreift. Den Gedankengang leiten die Wangenbüsten ein.
Ihre introduktive Bedeutung wird schon äußerlich durch die
Anbringung symbolisiert. Je 8 auf einer Abteilung bewachen
sie gleichsam die Zugänge, deren jedesmal 2 seitlich und 3
von vorne zu den hinteren Sitzen führen. Die am Levitenstuhl
begonnene Galerie der Sibyllen setzt sich auf der südlich ge-
legenen Frauenseite fort. Ihnen gegenüber prangen heidnische
Dichter und Gelehrte L
Die 4 äußeren Bildnisse vermitteln den Zusammenhang
der verschiedenen Seiten, von den mittleren sind stets zwei,
innerhalb der einzelnen Reihe, einander zugekehrt. Dieser
äußerlichen Inbeziehungsetzung läuft inhaltliche Trennung, der
körperlichen Nähe seelischer Abstand diametral. Und eine
eigene Seele redet aus jeder dieser Halbfiguren.
Ein einfaches Gemüt spricht aus dem eirunden Gesicht der
Frau, die als Sibylle von Erythrä2 bezeichnet ist. Hinter der
niedrigen Stirn wohnen keine tiefen Gedanken. Aber die
fleischigen Partien um Augen, Nase und Mund verraten Gut-
mütigkeit. Der schmale Nasenrücken, die geschweiften Lippen
und das ausgeprägte Kinn bringen Leben in die an sich leeren
Züge. Schlichte pelzverbrämte Gewandung läßt den runden Hals
frei. Infolge der Bewegung der schlanken Hände spannen Brust-
und Schlüsselbein die geschmeidige Haut. Anliegende Oberarme
pressen die Brust zusammen und geben dem Weibe, das
zwischen 30 und 40 Jahren zählen durfte, ein etwas schmäch-
tiges und zaghaftes Aussehen. Sie deutet mit der Linken in
der Richtung der Sitze3 und schaut nach der Männerseite.
Der Mann dort drüben imponiert durch energische Haltung.
Kühn wirft er den ausdrucksvollen Kopf zurück. Selbstbewußt-
sein ist in den Mienen des etwa 45-jährigen zu lesen. Der
Eindruck starken Wollens wird erhöht durch harte Linien auf
der breiten Stirn und um den scharfgeschnittenen Mund, mit
1 Zu dieser Zusammenstellung s. desgl. Piper I, y, S. 490 ff.
2 Ebenso wie die eine Sibylle am Dreisitz s. o.
3 Nicht wie Pressel (s. Festschrift, S. 78) annimmt auf die an der
Mauer angebrachte große Holztafel mit Augustins Gerichtsschilderung (De
civitate Dei lib. XVIII), die sich übrigens auf das Gemälde des jüngsten
Gerichts über dem Triumphbogen bezieht.