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Grill, Erich
Der Ulmer Bildschnitzer Jörg Syrlin D. Ä. und seine Schule: ein Beitrag zur Geschichte der schwäbischen Plastik am Ausgang des Mittelalters — Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Band 21: Strassburg: Heitz, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.73234#0056
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— 42 —

B. NICHTSIGNIERTE WERKE.
In Städten, die mehrere beglaubigte Werke eines namhaf-
ten, einst dort tätigen Meisters beherbergen, tritt häufig die
Sucht auf, derselben Hand alle möglichen nichtsignierten Ar-
beiten zuzuweisen, die oft gar keinen, oder nur einen geringen
Zusammenhang mit der von dem Künstler angewendeten Ma-
nier erkennen lassen.
So ist man beispielsweise in der Würzburger Gegend sehr
leicht geneigt zu Zuschreibungen von Skulpturen an Tilman
Riemenschneider. In Ulm und Umgebung muß der Name Syr-
lin herhalten.
Sache einer strengen Stilkritik wird es sein, sorgfältig zu
prüfen und nur das auszuwählen, was sich mit einiger Sicher-
heit auf den Meister zurückführen läßt und mit seinem nach-
gewiesenen Oeuvre nicht in Widerspruch steht.
Den gestellten Anforderungen genügt eine Prophetenbüste 1
in der Skulpturensammlung der Stadt Frankfurt am Main :
ein älterer Mann mit turbanähnlicher Kopfbedeckung, ein un-
beschriebenes Spruchband in den Händen haltend.
In dickem Wulst windet sich ein Tuch um die gefurchte Stirn.
Das Hinterhaupt verhüllt ein glatt fallender breiter Stoffstreifen,
der seitlich noch soweit absteht, daß der ganze Kopf wie in
einer Nische sitzt. Ueber den Schläfen werden zwei Klappen
wie bei einer Mütze sichtbar und beschatten die Stelle, wo
das Haupthaar in den unten sich teilenden strähnigen Backen-
bart übergeht. Der scharfe Rand des Stirnbeins und die
darunterliegenden von zahlreichen Fältchen und Krähenfüßen
umgebenen Augen, die ausgeprägte Nase, das vorspringende
Jochbein und der kräftige Mund, über dem ein lang herab-
hängender Schnurrbart ansetzt, das alles sind Merkmale, die
eine Zurückführung des Skulptur auf Jörg Syrlin d. Aelt. ermög-

1 h = 30 cm, Eichenholz, dunkel gebeizt. Abb. Münchener Jahrbuch
der bild. Kunst 1908, II, S. 23.

2 Früher der Oeffentlichkeit noch nicht erschlossen, nur mit beson-
derer Genehmigung der Direktion des Städelschen Instituts zugänglich, jetzt
im Liebighaus vereinigt und der letztgenannten Sammlung angeschlossen.
 
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