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Grill, Erich
Der Ulmer Bildschnitzer Jörg Syrlin D. Ä. und seine Schule: ein Beitrag zur Geschichte der schwäbischen Plastik am Ausgang des Mittelalters — Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Band 21: Strassburg: Heitz, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.73234#0096
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— 82 —

bau mit den überschlanken Säulen über das architektonisch
Mögliche hinaus1. Das ganze Gerüst wetteifert an Zierlichkeit
mit den Sakramentshäuschen im Ulmer Münster2 und in der
Nürnberger Lorenzkirche3, kann sich aber in Bezug auf tech-
nische Virtuosität nicht mit ihnen messen, weil die Ausführung
in Holz lange nicht die Schwierigkeiten bot, wie eine solche
in Stein. — Statuetten, auf deren einstiges Vorhandensein fünf
leere Konsole unter Baldachinen schließen lassen, haben sich
nicht erhalten. Vermutlich waren auch diese Skulpturen —
wie überhaupt das von Jörg Sürlin d. J. geschaffene figürliche
Detail seiner Arbeiten — von untergeordneter Bedeutung.
XII. Chorgestühl und Levitenstuhl in der ev. Stadtkirche
zu Geislingen4, (Eichenholz, dunkel gebeizt), zweireihig, je fünfzehn
Sitze oben und zwölf unten, je zwei seitliche und zwei mittlere
Eingänge. Die erhöhte glatte Rücklehne der hinteren Sessel legt
sich mit aufgesetzten Blendarkaden gegen die Längswände des
Chores. Den Abschluß bilden kleine mit Wimpergen und Fia-
len geschmückte Dächer, die vorne in rankenumsäumten Rund-
bogen Überhängen. Die mittleren Stühle sind durch Intarsien
am Dorsal und Baldachine ausgezeichnet. Die jetzt darunter
aufgestellten Apostelfiguren: Petrus und Paulus, leiten sich von
einer der verschiedenen Restaurierungen5 her. Das gleiche
gilt wohl auch von der Statue Johannes des Täufers unter dem
lichten Baldachin des Levitenstuhles. Hier ist wieder, wie üb-
lich, der Mittelsitz erhöht. Aber alle drei Rückwände tragen

1 Eine ähnliche Beobachtung macht Dr. Hans Klaiber («Zur Bauge-
schichte des Ulmer Münsters». Repertorium für Kunstwissenschaft, XXXII.
Band, Heft 6, 1909, S. 477 ff. bei einem Entwurf für den Westturm des
Ulmer Münsters (in der Sammlung vaterl. Altertümer zu Stuttgart , dessen
Zeichnung auf den jüngeren Sürlin zurückgeht. Klaiber, dessen Publikation
mir erst nach Vollendung meiner Arbeit bekannt geworden ist, setzt die
Entstehung des Entwurfs zwischen 1470—80 an.

2 Entstanden zwischen 1467—70 (Schöpfer nicht bekannt: «maister
von wingarten»?)

3 Von Adam Krafft zwischen 1493—96 geschaffen.

4 Vgl. A. Klemm: «Die Stadtkirche zu Geislingen» (1879, Geis-
lingen. Verlag Maurer), S. 23 ff. — und: «Ueber die beiden Jörg Sürlin»
(Münsterblätter, Heft 3 u. 4). — Keppler: «Württembergs kirchliche
Kunstaltertümer, S. 112.

5 Im 17. Jhdt. und 1879.
 
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