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Grill, Erich
Der Ulmer Bildschnitzer Jörg Syrlin D. Ä. und seine Schule: ein Beitrag zur Geschichte der schwäbischen Plastik am Ausgang des Mittelalters — Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Band 21: Strassburg: Heitz, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.73234#0061
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— 47 —

aus nächster Nähe gestattet. Aber schon bei größerem Ab-
stand wird auch dem flüchtigen Betrachter der edle Schwung
der äußeren Linien auffallen, die über Haar und Schulter,
Mantel und seitlich angebrachten Schild herablaufen und von
dem sich in Schmerzen windenden Ungeheuer aufgefangen
werden.
Die «erstaunliche Qualität der Arbeit», die «Identität der
Rüstungen» mit den Ritterfiguren am Fischkasten und ein
«Vergleich des Kopfes des hl. Georg mit den Büsten am Ulmer
Chorgestühl» sind als gewichtige Gründe für die Autorschaft
Syrlins mit Recht herangezogen worden1. Dagegen scheint
mir eine behauptete «große Verwandtschaft» mit dem aufer-
standenen Christus am Ulmer Dreisitz — die meiner Ueber-
zeugung nach gegen eine Zurückführung des Werkes auf Syrlin
spräche 2 — nicht zu bestehen. Als besonders von diesem
Christus abweichende, dagegen mit Syrlinschen Arbeiten über-
einstimmende Merkmale, seien betont : das in einzelnen kork-
zieherförmig sich ringelnden Locken herabhängende Haar, die
schmale Ober- und breite geteilte Unterlippe, die Bildung des
Kinnes, die guten Proportionen und die Struktur des Körpers,
die man selbst unter der Gewandung ahnt, und endlich das
feste und sichere Zugreifen und die natürliche Bewegung, die
sich frei hält von aller gekünstelten Pose.
Außer diesen stilistischen Eigentümlichkeiten sprechen noch
zwei bemerkenswerte Tatsachen3 für die Zuweisung der in
Frankfurt aufbewahrten Statue an Syrlin: die freie Wieder-
holung der Figur am Hauptportal des Ulmer Münsters4 und die
Herkunft des Originals: nämlich aus der Georgskapelle am
Rathaus in Ravensburg, in dessen unmittelbarer Nähe das
Kloster Weingarten liegt, für das der ältere Syrlin, wie wir
sehen werden, gearbeitet hat.
Wenn wir also den St. Georg aus Ravensburg als ein

1 s. Swarzenskis Ausführungen.

2 Vgl. S. 18, Anmkg. 1.

3 Desgl. von Swarzenski hervorgehoben.

4 Hl. Georg, Holz, in der untersten Figurenreihe der äußersten Archi-
volte der linken Leibung. Schülerarbeit. Abb. s. «Hessenkunst» 1910, S. 3
oben.
 
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