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wegung sehr ab gegen die stillen ernsten Ulmer Bildnisse.
Aber dennoch lassen sich einzelne verwandte Typen finden.
Besonders möchte ich auf einen Mann mit weit abflatterndem
Haar aufmerksam machen (Nordseite 6. Relief vom Altar an,
das über der Türe eingerechnet), ein Brustbild, das in dem
«Samson» (Rückwandbüste, in der Nähe von «des Kaisers
Stuhl») des Syrlinschen Gestühls sein Gegenstück hat. Unter
den — im allgemeinen ziemlich roh gearbeiteten — Konstanzer
Balustradenfigürchen fällt auf der Südseite ein lockiger Jüngling
in Rüstung auf, der die Beine genau so übereinandersetzt, wie
die Ritter am «Fischkasten».
So ließen sich noch verschiedene Analogien aufstellen,
namentlich, wenn wir auch den Fries der Welser-Kapelle zum
Vergleich heranziehen.
Demnach muß also unser Meister das Konstanzer Chor-
gestühl gekannt haben, ehe er das Ulmer schuf? Vielleicht ist
ersteres sogar unter seinen Augen entstanden?
Diese Vermutung wird gestützt durch das Vorhandensein
einer kleinen Büste 1 im Rosgartenmuseum, die sich angeblich
als einzige von zwölf, von einem Gestühl in St. Peter zu Kon-
stanz stammenden Bildwerken erhalten hat und deutlich das
Gepräge der Syrlinschen Kunst trägt: das Brustbild eines bart-
losen Mannes, der einen Meißelhammer und einen Zirkel in
den Händen hält. Eine pelzverbrämte Mütze und ein breiter
Pelzkragen über dem Rock geben ihm ein vornehmes Aussehen.
Die Züge sind scharf geschnitten. Unter dem wulstigen Stirn-
bein sind die tiefliegenden Augen leicht schräg gestellt. Ueber
der Wurzel der kräftigen Nase, von ihrem Ende bis zu dem
aus schmaler Ober- und breiter Unterlippe bestehenden Mund
und von den Mundwinkeln abwärts ziehen tiefe Falten. Das
Kinn springt markant vor. In dem länglich-spitzen Gesichts-
oval sind die Backenknochen betont und die Wangen seitlich
abgeplattet. Die Ohren umspielt dichtes Haar. Die Halsmus-
kulatur erscheint ausgeprägt und läßt auf anatomisches Ver-
ständnis schließen — weniger die Hände. Plump und unbe-
1 Eichenholz, dunkel gebeizt, ^ | = 32 cm (auf der linken Seite ein
Stück abgebrochen). Rückteil flacher gearbeitet, angesetzt.
wegung sehr ab gegen die stillen ernsten Ulmer Bildnisse.
Aber dennoch lassen sich einzelne verwandte Typen finden.
Besonders möchte ich auf einen Mann mit weit abflatterndem
Haar aufmerksam machen (Nordseite 6. Relief vom Altar an,
das über der Türe eingerechnet), ein Brustbild, das in dem
«Samson» (Rückwandbüste, in der Nähe von «des Kaisers
Stuhl») des Syrlinschen Gestühls sein Gegenstück hat. Unter
den — im allgemeinen ziemlich roh gearbeiteten — Konstanzer
Balustradenfigürchen fällt auf der Südseite ein lockiger Jüngling
in Rüstung auf, der die Beine genau so übereinandersetzt, wie
die Ritter am «Fischkasten».
So ließen sich noch verschiedene Analogien aufstellen,
namentlich, wenn wir auch den Fries der Welser-Kapelle zum
Vergleich heranziehen.
Demnach muß also unser Meister das Konstanzer Chor-
gestühl gekannt haben, ehe er das Ulmer schuf? Vielleicht ist
ersteres sogar unter seinen Augen entstanden?
Diese Vermutung wird gestützt durch das Vorhandensein
einer kleinen Büste 1 im Rosgartenmuseum, die sich angeblich
als einzige von zwölf, von einem Gestühl in St. Peter zu Kon-
stanz stammenden Bildwerken erhalten hat und deutlich das
Gepräge der Syrlinschen Kunst trägt: das Brustbild eines bart-
losen Mannes, der einen Meißelhammer und einen Zirkel in
den Händen hält. Eine pelzverbrämte Mütze und ein breiter
Pelzkragen über dem Rock geben ihm ein vornehmes Aussehen.
Die Züge sind scharf geschnitten. Unter dem wulstigen Stirn-
bein sind die tiefliegenden Augen leicht schräg gestellt. Ueber
der Wurzel der kräftigen Nase, von ihrem Ende bis zu dem
aus schmaler Ober- und breiter Unterlippe bestehenden Mund
und von den Mundwinkeln abwärts ziehen tiefe Falten. Das
Kinn springt markant vor. In dem länglich-spitzen Gesichts-
oval sind die Backenknochen betont und die Wangen seitlich
abgeplattet. Die Ohren umspielt dichtes Haar. Die Halsmus-
kulatur erscheint ausgeprägt und läßt auf anatomisches Ver-
ständnis schließen — weniger die Hände. Plump und unbe-
1 Eichenholz, dunkel gebeizt, ^ | = 32 cm (auf der linken Seite ein
Stück abgebrochen). Rückteil flacher gearbeitet, angesetzt.