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Grill, Erich
Der Ulmer Bildschnitzer Jörg Syrlin D. Ä. und seine Schule: ein Beitrag zur Geschichte der schwäbischen Plastik am Ausgang des Mittelalters — Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Band 21: Strassburg: Heitz, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.73234#0095
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81 —

lagen gliedern den unteren Teil. Den oberen vorspringenden
Kranz, dessen achteckiger Umfang gegen den unteren um eine
halbe Seite horizontal gedreht ist — so daß eine Ecke oben
jedesmal der Mitte der Kante unten entspricht — bedecken
am Außenrand stilisierte Pflanzengebilde, die an algenähnliche
Gewächse oder an Flechtenmoose erinnern.
Das leblose Ornament hat die figürliche Dekoration ver-
drängt. Jede bildliche Darstellung, zu der schon ein Blick
auf den älteren Taufstein am benachbarten Pfeiler hätte ver-
leiten können, ist vermieden.
Die Entstehung des Weihwasserkessels, der keinerlei Signa-
tur trägt, fällt in das Jahr 1507, wo er zum ersten Mal Er-
wähnung findet und der Teil des Kirchengewölbes, das auf der
von dem Becken umschlossenen Säule ruht, vollendet wird.
Die Tradition, nach welcher der jüngere Sürlin als Schöpfer
des Werkes gilt, findet ihre Bestätigung durch Erhaltung zweier
Kupferstiche1, in der Wiener Hofbibliothek und dem Londoner
British Museum, die mit seinem Meisterzeichen und dem Mo-
nogramm J. S. versehen sind und den Aufriß und Grundriß
des Gerätes wiedergeben2.
XI. In dem Schalldeckel 3 der Kanzel des Ulmer Münsters
(Lindenholz, hell) drückt sich ein himmelstürmender Vertikalis-
mus aus. Leicht an den dritten nördlichen Pfeiler des Mittel-
schiffes geheftet, setzt er mit einem von Wimpergen umkränzten
Netzgewölbe (blau mit weißen Rippen) ein, das noch dreimal in
stets verkleinerter Form wiederkehrt, und schraubt sich in vier
Absätzen empor, dessen oberster in einer Kreuzblume gipfelt,
die noch den Arkadenbogen des Kircheninnern überragt. Zwischen
zahlreichen Fialen wird eine kleine Wendeltreppe mit durch-
brochenem Geländer sichtbar, die zu einer Miniaturkanzel
führt4. In ihre Brüstung ist eingeschnitten: Jörg Sürlin anno
1510. — Die oberen Stockwerke gehen in ihrem lichten Auf-

1 Abb. Lützow: «Geschichte des dtsch. Kupferstiches» 1890, S. 49 u.
50, Fig. 21 u. 22.

^ Die Angaben sind entnommen aus Pfieiderers Münsterwerk, Sp. 33.

3 Vgl. Pfleiderer, Sp. 26 und Abb. T. 4.

4 Nach Pfleiderer: «für den unsichtbaren Prediger, den heiligen Geist»
gedacht.
G.

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