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allererster Linie ertheilen? Goethe's und Dürer's Größe liegt
nicht in dem hauptsächlich, was sie schufen, sondern darin, wie
sie schufen. Nur ein einziges vollkommenes Werk hinterließen
sie: sich selbst.
Raphael's, Michelangelo's, Lionardo's, Tizian's Werke lösen
sich ab von ihren Urhebern und stehen allein da. Corneille,
Racine, Cervantes, Shakspeare, Milton, und soviel andere: ihre
Arbeiten haben etwas Abgerundetes, Volles, Fruchtreifes, in
sich Lebendiges. Die Werke stehen über den Meistern, wie die
Pfirsiche über dem Zweige, an dem sie gewachsen sind. Die
Werke der großen Deutschen aber stehen niedriger als ihre
Hervorbringer und bilden nur untergeordnete Elemente einer
untrennbar zusammenhängenden Gesammtexistenz, die in sick-
allein die höchste Stuse einimmt. Jene andern Männer anderer
Nationen, selbst Michelangelo und Dante nicht ausgenommen, ob-
gleich diese am meisten Deutsches haben, stehen nicht so verwachsen
da mit dem was sie hervorgebracht haben. Ihre Werke er-
gänzen einander weniger, sa, es würde ein Fehler sein, sie all
zu dicht nebeneinander zu stellen. Bei ihnen wird man immer
nur sagen, welch ein Künstler! Hier heißt es: welch ein Mann!
und der Mann erst offenbart ganz den Inhalt der einzelnen
Werke.
So zu arbeiten scheint zumal im deutschen Charakter zu
liegen. Wir verlangen von einem Künstler, wenn ihm dieser
Name als wirklicher Ehrenname zuertheilt werden soll, Har-
monie der ganzen Existenz mit den Werken. Wir besitzen eine
Reihe von Männern, die auf diesen Titel in diesem Sinne
Anspruch haben, allein es ist aus der Möglichkeit ihn zu er-
langen, eine Art von Lehre entstanden, daß dieses „Künstler-
thum" durch äußerliche Hülfe leichter zu erreichen sei, ja sogar,
daß für den Staat die Verpflichtung vorliege hier helfend ein-
allererster Linie ertheilen? Goethe's und Dürer's Größe liegt
nicht in dem hauptsächlich, was sie schufen, sondern darin, wie
sie schufen. Nur ein einziges vollkommenes Werk hinterließen
sie: sich selbst.
Raphael's, Michelangelo's, Lionardo's, Tizian's Werke lösen
sich ab von ihren Urhebern und stehen allein da. Corneille,
Racine, Cervantes, Shakspeare, Milton, und soviel andere: ihre
Arbeiten haben etwas Abgerundetes, Volles, Fruchtreifes, in
sich Lebendiges. Die Werke stehen über den Meistern, wie die
Pfirsiche über dem Zweige, an dem sie gewachsen sind. Die
Werke der großen Deutschen aber stehen niedriger als ihre
Hervorbringer und bilden nur untergeordnete Elemente einer
untrennbar zusammenhängenden Gesammtexistenz, die in sick-
allein die höchste Stuse einimmt. Jene andern Männer anderer
Nationen, selbst Michelangelo und Dante nicht ausgenommen, ob-
gleich diese am meisten Deutsches haben, stehen nicht so verwachsen
da mit dem was sie hervorgebracht haben. Ihre Werke er-
gänzen einander weniger, sa, es würde ein Fehler sein, sie all
zu dicht nebeneinander zu stellen. Bei ihnen wird man immer
nur sagen, welch ein Künstler! Hier heißt es: welch ein Mann!
und der Mann erst offenbart ganz den Inhalt der einzelnen
Werke.
So zu arbeiten scheint zumal im deutschen Charakter zu
liegen. Wir verlangen von einem Künstler, wenn ihm dieser
Name als wirklicher Ehrenname zuertheilt werden soll, Har-
monie der ganzen Existenz mit den Werken. Wir besitzen eine
Reihe von Männern, die auf diesen Titel in diesem Sinne
Anspruch haben, allein es ist aus der Möglichkeit ihn zu er-
langen, eine Art von Lehre entstanden, daß dieses „Künstler-
thum" durch äußerliche Hülfe leichter zu erreichen sei, ja sogar,
daß für den Staat die Verpflichtung vorliege hier helfend ein-