Fig-15 Gabriel Metsu (1629/3 °—6y), Detail mit hollän-
dischen Spiegel- und Bilderrahmen aus »Brieflesende
Dame mit Magd«, um 1663—70.
Irland, Sammlung Beit
Eine manieristische Sonderform stellen die Flo-
rentiner Blatt- und Volutenrahmen dar. Sie sind
aus einer Verbindung von Akanthusblättern und
Rollwerkformen entwickelt (Abb. 100—103).
Die lappig sich rollenden und spannenden For-
tnen wölben die Rahmenkanten bauchig aus und
schieben die Ecken spitz nach außen. Die inneren
Blattenden rollen sich nach vorne, die äußeren
nach rückwärts. Die klaren Linien und durchge-
henden Verläufe heben die Außenkontur heraus,
deren Schwingung an allen Kanten sich einheit-
lich wiederholt. Die dargestellte Bewegung
scheint das Gefüge von Bild und Rahmen von
■nnen her zu dehnen. Die Verunwirklichung be-
trifft die materielle Konsistenz der rahmenden
Abgrenzung — und nicht den konstruktiven Zu-
sammenhalt wie in Venedig.
Einen eigenartigen Beitrag zur Rahmengeschich-
te leistete die Kunst Bolognas. Klassizistische
Tendenzen mischen sich in ihr mit Neigungen
zum überreichen Zierrat. Lange Zeit sind die
daraus entstandenen Qualitäten verkannt wor-
den. Vielleicht hat dazu auch das Verdikt Wil-
helm von Bodes beigetragen, der parallel zu den
beiden Strömungen in der Bologneser Malerei
zwei Rahmenstile unterschied: einen akade-
rnisch-trockenen und einen überquellend-barok-
ken. Dabei ist zuwenig beachtet, daß dies Ergeb-
nisse nacheinander liegender Stilgesinnungen in
unterschiedlicher Ausfiihrungsqualität waren.
E)ie frühen Rahmen sind streng im Umriß, von
schmalen Profilen kantig abgesetzte Platten.
Selbst die sehr reiche, filigranhafte Ornamentik
der Schule des Marchesi Formigine
(Abb. 106 —108) verläuft in strenger Gleichmä-
ßigkeit und innerhalb der nüchternen Rahmen-
proportionen. In einigen Techniken — etwa bei
den lediglich punzierten Plattenrahmen (Abb.
87—90) — hebt sich die, teilweise sehr feine, Orna-
mentik schwach vom Grund ab. Es war dies eben
nur die einfachere Version, die mit verstärkten
Kanten im 17. Jahrhundert weiterproduziert
worden ist. Im späten 16. und friihen i7.Jahr-
hundert finden sich dann Mischtypen von Plat-
tenrahmen und Blattrahmen. Die relativ breite
Mittelplatte ist dort zu ihrer inneren Hälfte über-
deckt von einem Blattwulst, der auf die Schenkel-
mitten hin bezogen ist. Das Übergangsprofil von
Bildrand zur Rahmenfläche ist damit expressiv
übersteigert, während die Rahmenfläche selbst
verhalten bleibt. Die besondere Qualität liegt in
den Blatt-, Blüten-, Früchte- und anderen Detail-
formen, die zu einheitlichen kleinen Splitterflä-
chen umgesetzt sind. Die feingliedrigen Umrisse
sind geometrisierend vereinfacht und erzeugen
eine sehr gleichmäßige Struktur (Abb. no).
Die im 17. Jahrhundert entwickelten reinen
Blattrahmen gehen von dem Grundtyp mit dem
innen überhöhten Wulst aus, der dann lediglich
als Aufwölbung der quer zur Leiste nach außen
verlaufenden Blätter erhalten bleibt. Die Strenge
der Gesamtform bleibt jedoch anfangs durch die
umlaufenden Profile innen und außen gewahrt
(Abb. 112.—115).
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundertentste-
hen die offenen Blattrahmen, deren Außenumriß
— wenngleich aufgespalten zu einem feinen Zick-
zack — dennoch geradlinig bleibt. Auch die In-
nengliederung behält das durchgehende Netz-
werk geometrisierender Kantenverläufe. Erst die
nachfolgenden kurvig ausschwingenden Blatt-
und Laubwerkrahmen setzen den Umriß in Be-
wegung (Abb. 195, 197). Noch bei den wenig
späteren hochbarocken Rahmen mit lebhaft aus-
schwingenden Blattwedeln sind die Durchbre-
chungen symmetrisch. Das Gerüst des Innenrah-
mens ist vom Dekor unterschieden und auf eine
Säulen- oder Wulstform zusammengedrängt
(Abb. 196—199).
Ein typisch römischer Rahmen ist der im
17. Jahrhundert entstandene »Salvator Rosa«-
oder »Maratta«-Rahmen (Abb. 200, 204—207).
Er stellt einen mit einer Abfolge von Profilen
untergliederten, nach außen leicht ansteigenden
Profilrahmen dar. Kymation, Drehstab und
Blattstab sind seine Gliederungselemente. Im
18. Jahrhundert wird die Abfolge von Profil,
Kehle, Profil gemildert zu einem vereinheitlich-
ten nach außen ansteigenden Karnies-Profil.
Dies ist nur mehr mit dünnen Ornamentstäben
besetzt oder lediglich abgetreppt. Die dekorative
Durchgliederung findet innerhalb der Orna-
mentstäbe statt. Eine flacher profilierte Variante
dieses Typus ist in Neapel ausgeprägt worden.
(Eine stärker klassizistische Variante mit ge-
drängter Profilabfolge ist abgebildet im Katalog
»Italienische Bilderrahmen« der Alten Pinako-
thek, München.) Die spätbarocke, malerische
Variante zeigt ein nach außen hochgezogenes,
weiches Profil, das über einen Absatz zu einem
Rundstab ansteigt. Durch eine unterschneidende
Kehle getrennt folgt nach außen ein abfallender
Karnies (Abb. 202).
Die Florentiner Barockrahmen sind plastischer
als die Bologneser. Dichte und ineinander ver-
schlungene Drehungen und Bewegungen von
Rollwerk, Laubwerk und Muschelwerk entfal-
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dischen Spiegel- und Bilderrahmen aus »Brieflesende
Dame mit Magd«, um 1663—70.
Irland, Sammlung Beit
Eine manieristische Sonderform stellen die Flo-
rentiner Blatt- und Volutenrahmen dar. Sie sind
aus einer Verbindung von Akanthusblättern und
Rollwerkformen entwickelt (Abb. 100—103).
Die lappig sich rollenden und spannenden For-
tnen wölben die Rahmenkanten bauchig aus und
schieben die Ecken spitz nach außen. Die inneren
Blattenden rollen sich nach vorne, die äußeren
nach rückwärts. Die klaren Linien und durchge-
henden Verläufe heben die Außenkontur heraus,
deren Schwingung an allen Kanten sich einheit-
lich wiederholt. Die dargestellte Bewegung
scheint das Gefüge von Bild und Rahmen von
■nnen her zu dehnen. Die Verunwirklichung be-
trifft die materielle Konsistenz der rahmenden
Abgrenzung — und nicht den konstruktiven Zu-
sammenhalt wie in Venedig.
Einen eigenartigen Beitrag zur Rahmengeschich-
te leistete die Kunst Bolognas. Klassizistische
Tendenzen mischen sich in ihr mit Neigungen
zum überreichen Zierrat. Lange Zeit sind die
daraus entstandenen Qualitäten verkannt wor-
den. Vielleicht hat dazu auch das Verdikt Wil-
helm von Bodes beigetragen, der parallel zu den
beiden Strömungen in der Bologneser Malerei
zwei Rahmenstile unterschied: einen akade-
rnisch-trockenen und einen überquellend-barok-
ken. Dabei ist zuwenig beachtet, daß dies Ergeb-
nisse nacheinander liegender Stilgesinnungen in
unterschiedlicher Ausfiihrungsqualität waren.
E)ie frühen Rahmen sind streng im Umriß, von
schmalen Profilen kantig abgesetzte Platten.
Selbst die sehr reiche, filigranhafte Ornamentik
der Schule des Marchesi Formigine
(Abb. 106 —108) verläuft in strenger Gleichmä-
ßigkeit und innerhalb der nüchternen Rahmen-
proportionen. In einigen Techniken — etwa bei
den lediglich punzierten Plattenrahmen (Abb.
87—90) — hebt sich die, teilweise sehr feine, Orna-
mentik schwach vom Grund ab. Es war dies eben
nur die einfachere Version, die mit verstärkten
Kanten im 17. Jahrhundert weiterproduziert
worden ist. Im späten 16. und friihen i7.Jahr-
hundert finden sich dann Mischtypen von Plat-
tenrahmen und Blattrahmen. Die relativ breite
Mittelplatte ist dort zu ihrer inneren Hälfte über-
deckt von einem Blattwulst, der auf die Schenkel-
mitten hin bezogen ist. Das Übergangsprofil von
Bildrand zur Rahmenfläche ist damit expressiv
übersteigert, während die Rahmenfläche selbst
verhalten bleibt. Die besondere Qualität liegt in
den Blatt-, Blüten-, Früchte- und anderen Detail-
formen, die zu einheitlichen kleinen Splitterflä-
chen umgesetzt sind. Die feingliedrigen Umrisse
sind geometrisierend vereinfacht und erzeugen
eine sehr gleichmäßige Struktur (Abb. no).
Die im 17. Jahrhundert entwickelten reinen
Blattrahmen gehen von dem Grundtyp mit dem
innen überhöhten Wulst aus, der dann lediglich
als Aufwölbung der quer zur Leiste nach außen
verlaufenden Blätter erhalten bleibt. Die Strenge
der Gesamtform bleibt jedoch anfangs durch die
umlaufenden Profile innen und außen gewahrt
(Abb. 112.—115).
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundertentste-
hen die offenen Blattrahmen, deren Außenumriß
— wenngleich aufgespalten zu einem feinen Zick-
zack — dennoch geradlinig bleibt. Auch die In-
nengliederung behält das durchgehende Netz-
werk geometrisierender Kantenverläufe. Erst die
nachfolgenden kurvig ausschwingenden Blatt-
und Laubwerkrahmen setzen den Umriß in Be-
wegung (Abb. 195, 197). Noch bei den wenig
späteren hochbarocken Rahmen mit lebhaft aus-
schwingenden Blattwedeln sind die Durchbre-
chungen symmetrisch. Das Gerüst des Innenrah-
mens ist vom Dekor unterschieden und auf eine
Säulen- oder Wulstform zusammengedrängt
(Abb. 196—199).
Ein typisch römischer Rahmen ist der im
17. Jahrhundert entstandene »Salvator Rosa«-
oder »Maratta«-Rahmen (Abb. 200, 204—207).
Er stellt einen mit einer Abfolge von Profilen
untergliederten, nach außen leicht ansteigenden
Profilrahmen dar. Kymation, Drehstab und
Blattstab sind seine Gliederungselemente. Im
18. Jahrhundert wird die Abfolge von Profil,
Kehle, Profil gemildert zu einem vereinheitlich-
ten nach außen ansteigenden Karnies-Profil.
Dies ist nur mehr mit dünnen Ornamentstäben
besetzt oder lediglich abgetreppt. Die dekorative
Durchgliederung findet innerhalb der Orna-
mentstäbe statt. Eine flacher profilierte Variante
dieses Typus ist in Neapel ausgeprägt worden.
(Eine stärker klassizistische Variante mit ge-
drängter Profilabfolge ist abgebildet im Katalog
»Italienische Bilderrahmen« der Alten Pinako-
thek, München.) Die spätbarocke, malerische
Variante zeigt ein nach außen hochgezogenes,
weiches Profil, das über einen Absatz zu einem
Rundstab ansteigt. Durch eine unterschneidende
Kehle getrennt folgt nach außen ein abfallender
Karnies (Abb. 202).
Die Florentiner Barockrahmen sind plastischer
als die Bologneser. Dichte und ineinander ver-
schlungene Drehungen und Bewegungen von
Rollwerk, Laubwerk und Muschelwerk entfal-
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