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Grimm, Claus <Prof., Dr.>
Alte Bilderrahmen: Epochen, Typen, Material — München, 1978

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https://doi.org/10.11588/diglit.30531#0034
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gleichzeitigen Galeriehängungen (Abb.
356—36z) zeigen eine Variation nicht nur von
Profilen und Ornamenten, sondern auch von
Ausführungsqualitäten, was sowohl durch den
Auftrag für verschiedene Raumprogramme vor-
gegeben, wie auch durch die ungleichen Fähig-
keiten der Ausführenden bedingt war. (Leider ist
die einstige Lokalisierung der jeweiligen Rahmen
kaum erforscht; selbst in den Galerien miteinem
großen Bestand alter Rahmenserien ist nur aus-
nahmsweise der Zusammenhang mit den einge-
planten Bildern erhalten.)

In den germanischen Ländern ist durchgehend
eine Herauslösung der expressiven Momente des
französischen Ornamentstils zu verzeichnen.
Selbst bei den schematisch entworfenen »Eff-
ner«-Rahmen fällt gegenüber französischen Bei-
spielen der gleichen Stilstufe (Abb. Z7z, Z73,
Z79, z8o) eine verselbständigte Form des aus der
Eckkartusche entwickelten plattenartigen Eck-
ornamentes auf. Geschlossene, kräftig gekantete
Ornamentblätter überlappen ein weich gewölb-

tes Profil. Dessen Außenkontur wird durch kein
angesetztes Profil und durch keinen Steg der Or-
namentik optisch abgegrenzt. Die linearen Beto-
nungen knüpfen an die Innenkante des Rahmens
bzw. an dessen inneres Profil deutlicher an als die
Außenkontur. Dieser Zusammenhang zwischen
dem »Körper« der Profilleisten und den weit
ausgewölbten »Ohren« der Eckkartuschen
bleibt beispielsweise bei den provinzfranzösi-
schen Rahmen (Abb. z8z) gewahrt. Hingegen
stellen die Ornamentformen der Effner-Rahmen
eine Verbindung abstrakter Richtungszüge dar:
die unräumlich aufgefaßten Begrenzungsstreifen
des Bildes münden in einer Art federnder Spange
(Abb. 357, 360); die zusammenströmenden line-
aren Energien treiben die Ecken schräg nach au-
ßen und konzentrieren dort die Bewegung des
Ornaments. Man kann zwei Stufen unterschei-
den, in denen dieses Formproblem der Ecken
behandelt wird: eine frühere der Auflösung der
Profile durch ein überblendetes System übergrei-
fender Stege (Abb. 356, 358, 359,361), und eine

spätere der dynamischen Ausbiegung der Ecken
nach außen (Abb. 357, 360, 36z). Gemeinsam ist
beiden die Tendenz, die harte Begrenzung der
Innenkante nach außen überzuführen in eine
Struktur symmetrischer Beziehungen und orga-
nischer Auflösungen. Die von den Bildrändern
weg nach außen sich entfaltende Dynamik
nimmt insbesondere die abstrakten Dekorfor-
men des Bandelwerks und dann der Rocaille auf.
Mittels dieser kann die Rahmenoberfläche zur
amorphen, unkörperlichen Folie von strömen-
den Bewegungen gemacht werden. Die phanta-
stische Steigerung dieser Intention findet sich in
den Werken des Nahl- und Hoppenhaupt-Krei-
ses (Abb. 338—340) und im bayerischen und
österreichischen Kirchen-Rokoko (Abb. 329). Je
nach der Art, wie die Energie an den Ecken her-
ausströmt, abbricht oder zurückgestaut wird,
lassen sich die Interpretationen differenzieren.
Als raffiniert müssen auch die verknorpelten
Ecklösungen der dänischen Rahmen (Abb. 341,
343) angesehen werden.

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