Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Grisebach, August [Hrsg.]
Römische Porträtbüsten der Gegenreformation — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 13: Leipzig: Keller, 1936

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48326#0013
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
EINLEITUNG

Corpus humo tegitur
Fama per ora volat
Spiritus astra tenet.
AM EPITAPH DES PARISIO
IN S. MARIA DEGLI ANGELI (1604).
Unter den Wandgräbern im Vorhof von S. Gregorio Magno fesselt den Be-
trachter vor allem eines: durch seine künstlerische Qualität, aber auch durch
die gegenständliche Besonderheit, daß die Verstorbenen, zwei Brüder Bonsi, als
Büsten aus Rundnischen herausblicken (i). Das war damals um die Wende zum
16. Jahrhundert eine in Rom neue Form der Darstellung des Toten am Grabmal,
ein Brauch, der sich bald einbürgerte und über alle Stilwandlungen hinweg sich
erhielt. Er blieb nicht auf Rom beschränkt, weit in nordische Lande hinein findet
die Büste am Grabmal Aufnahme. Aber nirgends besteht eine so dichte und reich-
haltige Folge wie dort, wo diese Art der Totenehrung zuerst sich ausgebildet hatte,
und als um 1850 noch einmal eine „Renaissance“ in Rom auflebt, kehrt man histo-
risierend wieder zu der Form zurück, mit der um 1500 die Entwicklung einge-
setzt hatte.
Das Bild des Verstorbenen in der abgekürzten Form der Büste tritt neben die
repräsentative Darstellung der Stand- oder Sitzfiguren und der von ihrem Sterbe-
lager sich aufrichtenden Gestalten. Oft mag die Wahl der Büste an Stelle der ganzen
Figur durch Raummangel veranlaßt worden sein oder durch sonst eine ökonomische
Erwägung. Wobei auch der Umstand eine Rolle gespielt hat, daß Porträtbüsten in
den Wohnungen vorhanden waren, die man ohne weiteres an das Grabmal über-
tragen konnte.
Daß aber bei Lebzeiten entstandene Bildnisse bereitstanden, ist ein Hinweis auf
den tieferen Beweggrund für die neue Grabmalgattung: Das leidenschaftliche Ver-
langen nach dem Porträt, das seit einem Jahrhundert in Gemälden, Büsten und
Medaillen sich genug getan hatte, schuf die Voraussetzung für die Grabbüste. Sie
konzentriert in höherem Grade als bei den Schläfern auf Sarkophag und Katafalk
das Interesse auf das Antlitz, das sich in voller Sichtbarkeit dem Betrachter zu-
wendet. Das Individuum in der Einmaligkeit seiner Erscheinung kommt durch
die Büste stärker zur Geltung als in dem ruhenden Zustand der ganzen Gestalt.

9
 
Annotationen