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Grisebach, August [Hrsg.]
Römische Porträtbüsten der Gegenreformation — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 13: Leipzig: Keller, 1936

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https://doi.org/10.11588/diglit.48326#0037
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BEILAGE:
SKIZZE ZU EINER GENESIS DER BÜSTENNISCHE AM GRABMAL

Der Stammbaum der Büstennische am Grabmal reicht zurück bis zu den Imagines
maiorum, den Wachsbildern der Vorfahren, die in Kästen im Atrium des Hauses
aufgestellt, an Tagen besonderen Gedenkens umkränzt wurden. Mit diesem alt-
italienischen Ahnenkult steht, wie man annehmen darf, die seit dem dritten Jahr-
hundert nachweisbare Sitte in Verbindung, das Bildnis des Verstorbenen in Marmor
oder Bronze inmitten eines runden, schildartigen Feldes, durch eine Profilleiste oder
einen Kranz gerahmt im Tempel aufzuhängen oder am Grabmal darzustellen. Die
Imago im Nischenrund wird zur Kaiserzeit die allgemein übliche Form der Toten-
ehrung in Rom und in den Provinzen, bis an die Grenzen des Reiches. Die Grab-
steine der Soldaten an Donau und Rhein sehen in diesem Betracht nicht anders aus
als die Grabsteine stadtrömischer Geschlechter an der Appischen Straße. In gleicher
Weise erscheint das Bildnis des Toten inmitten der Stirnwand spätrömischer Sarko-
phage. Die steinernen Särge der frühen Christen folgen diesem Brauch, auch
die Muschelschale als Hintergrund der Büste1), die Corona triumphans, die das
Rund umrahmt, zwei Genien als sinnbildliche Träger der abgeschiedenen Seele
weiden übernommen: symbolische Attribute, die dann seit dem 15. Jahrhundert
an den Grabmälern wieder kehren (vgl. S. 26).
Mit dem Ausgang der Antike verschwindet am Sarkophag das Bildnis in der
abgekürzten Form der Büste, an den Wänden der Kirchen aber lebt es in ununter-
brochner Folge durch die Jahrhunderte fort in den Medaillonköpfen der Patriarchen,
Propheten, Heiligen und Päpste. Diese gemalten, mosaizierten oder, wie im Dom zu
Siena, skulpierten Reihen von Brustbildern sind die Nachfahren der Ehrenschilde, die
in Tempeln und Bibliotheken hellenistischer und kaiserlicher Zeit aufgehängt wurden.
Zugleich hält sich die Tradition der Darstellung einzelner Personen im Rundfeld
auf Gemälden, Elfenbeinen und als Bestandteil plastischen Schmuckes von Bau-
werken. Die Bildnisschilde weltlicher Flerren auf den Konsulardiptychen führen
b Nach Robert Eisler liegt, wo das Brustbild oder „wie man besser sagen sollte die Kop?)
oder pupilla des Verstorbnen“ in einer Muschel erscheint, die Vorstellung von der Seele als einer
Perle oder Perlmuschel zugrunde. In Wirklichkeit sei das Bildnismedaillon die im Irisrund ein-
gerahmte Pupillen-Spiegelseele des Verstorbnen. (Orphisch-dionysische Mysterien-Gedanken in
der christlichen Antike. Vorträge der Bibi. Warburg 11,2. 1922/23). Wieweit diese Deutung zu-
trifft, entzieht sich meinem Urteil.

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